Wetter

Frost und Nassschnee auf Frühlingsgrün

von Holger Westermann

Der Wintereinbruch während der letzten Apriltage ist meteorologisch nicht ungewöhnlich. Doch heuer (in diesem Jahr) sind die Folgen vielerorts dramatischer. Grund dafür ist das frühzeitige Frühlingswetter, das die Vegetation zu einem Wachstumsschub animierte. Das zarte Frühlingsgrün erfriert und das Blattwerk erhöht die Schneelast auf den Ästen bis sie brechen.

Die erste Kältewelle nach den 20°C-Sonnentagen traf die Steinobstblüte und Weinreben besonders hart. Bauern und Winzer rechen mit Ernteausfällen von 30%, einzelne Betriebe befürchten einen Totalverlust. Blüten der Obstgehölze und junge Triebe erhalten ihre Form durch inneren Wasserdruck. Das ermöglicht rasches Wachstum, macht aber anfällig für Frost. Sobald das Wasser gefriert bilden sich in den Zellen scharfkantige und voluminöse Eiskristalle, die das Gewebe zerreißen. Betroffene Pflanzenteile sterben ab. Für die Pflanzen ist das kein Problem, wenn in einer Vegetationsperiode ein Gutteil der Blüten (Reproduktionsorgane) ausfällt. Die nicht-erfrorenen können dann mit größerer Wahrscheinlichkeit zu jungen Pflanzen heranwachsen. Für die Landwirte ist es jedoch eine Katastrophe.

Die Spargelbauern profitieren von der besonderen Wuchsfreudigkeit ihrer Feldfrucht. Weiße Sorten blieben durchs Erdreich weitgehend geschützt, denn sie werden geerntet sobald das Köpfchen Tageslicht erreicht. Die grünen Sorten wachen oberirdisch und mussten vielerorts abgemäht werden, doch spargeltypisch drängen die nächsten Triebe bereits nach.

Die derzeit über Mitteleuropa hinwegrollende Schneewalze breitet sich über bereits reich beblättert Bäume. Durch das Blattwerk ist die Auflagefläche im Geäst erheblich größer als im Winter, wenn lediglich die Äste eingeschneit werden - die sind zudem rund und bieten dem Schnee nur wenig Halt. Knicken im Winter vorrangig Äste kranker Bäume unter der Schneelast ab, kann derzeit auch bei gesunden Schneebruch auftreten. Ausschlaggebend ist dabei allein die Lastspitze, nicht die Dauer der Belastung. Bäume ermüden nicht, wenn man sie belastet. Insofern ist trockenkalter Winterschnee sehr viel leichter zu tragen als der nur kurzzeitig liegenbleibende Nassschnee bei Schneefall über dem Gefrierpunkt.

Die Blätter verändern auch die Hebelwirkung der Schneelast. Ím Winter bilden stammnahe Äste die größte Auflagefläche, während weit entfernte Zweige nur wenig Last tragen, die sie bei leichter Windbewegung rasch wieder abwerfen. In einer begrünten Baumkrone kehren sich die Verhältnisse um. Nun sind die stammfernen Regionen optimale Auflageflächen für Schnee. Die Blattflächen sammeln die Flocken wie horizontale Schalen. Liegen sie eng nebeneinander und übereinander bildet sich eine geschlossene Fläche, die auch bei leichten Wind als dynamische Einheit zusammen hält. So entstehen bei Schneefall nach dem Blattaustrieb enorme Scherkräfte auf Astgabeln und die Astansätze am Baumstamm. Die Schneebruchgefahr ist bedeutend größer als im Winter.

Der physikalische Effekt, dass Nassschnee ist mit seiner durchschnittlichen Dichte von 200 Kilogramm pro Kubikmeter (kg/m3) um rund das vierfache stärker kg/m3 vier mal stärker belastet als eiskalter, trockener, lockerer Neuschnee mit rund 50 kg/m3 (Wasser entspricht 1000 kg/m3) fällt dann kaum noch ins Gewicht. Dessen Relevanz zeigt sich eher bei der Belastung von Schnee an Gebäuden oder bereits auf Sommerbetrieb umgerüstete Garteneinrichtungen. Markisen und Sonnendächer sind nicht für eine Nassschneelast konzipiert.


Unter diesen Bedingungen wird der Spaziergang im Wald zum Hochrisikoabenteuer. Es ist nicht absehbar wann welcher Baum wo brechen wird. Sich von morschem Geäst fern zu halten ist keine hinreichend sichere Strategie. Selbst Alleebäume in Städten, deren Gesundheitszustand regelmäßig von den Gartenbehörden untersucht wird, können unter Nassschneebelastung brechen. Es lohnt sich, bis zum Abtauen der Schneeauflage abzuwarten. Ohnehin ist es wenig vergnüglich unter tropfendem Blätterdach zu spazieren.

Quellen:

Dipl.-Met. Robert Hausen: Wenn Schnee zur Last wird… . Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 25.04.2017

Erstellt am 26. April 2017
Zuletzt aktualisiert am 26. April 2017

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