Zurückweisung durch Mitmenschen verstärkt Gesundheitsprobleme

Schlafmangel schmälert soziale Attraktivität

von Holger Westermann

Ringe unter den Augen - der schönste Schmuck, den ein Mann einer Frau schenken kann. Das Paar muss noch frisch verliebt sein, um dieser Ansicht zuzustimmen. Gemeinhin gilt offensichtliche Müdigkeit als Herausforderung für die Kosmetik. Niemand möchte übermüdet erscheinen, denn nicht nur die körperliche Attraktivität leidet unter offensichtlichem Schlafmangel - sondern auch die soziale.

Offensichtlich schwinden bei müden Menschen nicht nur Attribute der Schönheit. Mitmenschen meiden unausgeschlafene Zeitgenossen; sie werden als weniger erstrebenswerte Gesellschaft wahrgenommen. Forscher vom Karolinska-Institut, einer der größten medizinischen Universitäten Europas in der Nähe von Stockholm (Schweden) fertigten von 25 Menschen Portraitfotos (Durchschnittsalter 23,9 Jahre; 14 Frauen), einmal ausgeschlafen und einmal nach zwei Nächten mit Schlafmangel (je 4 Stunden Schlaf). Die Forscher wählten dieses Schlafmangelmuster, da sie es für realistischer hielten als beispielsweise eine Nacht ganz ohne Schlaf: Termindruck fordert lange Nachtarbeit oder Reisen hindern am Durchschlafen.

Diese Fotos wurden 122 Personen vorgelegt (Durchschnittsalter 30,8 Jahre; 65 Frauen). Sie sollten die allgemeine Attraktivität beurteilen, den vermuteten Gesundheitszustand abschätzen und sich prüfen inwieweit sie den abgebildeten Personen vertrauen würden und ob sie gern Zeit mit ihnen verbringen würden. Die Datenanalyse diskriminierte die Unausgeschlafenen als weniger beliebt - kaum jemand wollte mit ihnen Zeit verbringen und dann auch nur kurzzeitig.

Erwartungsgemäß wurden müde Menschen als weniger attraktiv und weniger gesund beurteilt. Dieser Befund deckte sich mit Forschungsergebnisse der selben Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2010. Damals wurde der optische Attraktivitätsverlust nach 31 Stunden ohne Schlaf untersucht. Die Vertrauenswürdigkeit wurde durch den müden Gesichtsausdruck offensichtlich nicht beeinträchtigt.

Die Forscher vermuten, dass Selbstschutz dazu animiert müde Mitmenschen zu meiden. Einerseits hemmt Schlafmangel die Reflexe, verlängert Reaktionszeiten und erhöht dadurch die Unfallgefahr. Wer solche Risiko-Hotspots meidet, verhindert selbst in einen Unfall hineingezogen zu werden. Andererseits schwächt Schlafmangel das Immunsystem und übermüdete Menschen sind besonders anfällig für Infektionskrankheiten. Kluge Menschen meiden den Kontakt zu solchen Brutstätten pathogener Bakterien und Viren. Letztendlich sind unausgeschlafene Menschen auch leicht reizbar und reagieren in Stresssituationen unbeherrscht. Damit sind sie als Sozialpartner deutlich weniger attraktiv als ausgeruhte Mitmenschen.

Die Forscher erinnern daran, dass für soziale Wesen wie Menschen, die Geselligkeit nicht nur unterhaltsam, sondern für die psychische Gesundheit unabdingbar ist. Sie sehen daher in der sozialen Zurückweisung von offensichtlich unausgeschlafenen Menschen einen weitern Risikofaktor von Schlafmangel und Schlafstörungen. Die nun erkannte emotionale Belastung verstärkt Effekte wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gewichtszunahme, Diabetes, Konzentrationsprobleme und reduzierte Motivationsbereitschaft.

Quellen:

Axelsson, J. et al. (2010): Beauty sleep: experimental study on the perceived health and attractiveness of sleep deprived people. British Medical Journal 341: c6614. doi:10.1136/bmj.c6614.

Sundelin, T. et al. (2017): Negative effects of restricted sleep on facial appearance and social appeal. Royal Society Open Science, online veröffentlich 17.5.2017. DOI: 10.1098/rsos.160918

Erstellt am 25. Mai 2017
Zuletzt aktualisiert am 25. Mai 2017

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