Wetter

Explosive Mischung

von Holger Westermann

Gewitterwolke im Juni

Kaltluft strömt ins frühsommerlich erwärmte Mitteleuropa und schiebt sich unter die bodennahe Warmluft. Gelangt die feuchtwarme Luft in höhere und kühlere Atmosphäreschichten kondensiert die Luftfeuchte, es bilden sich Wassertröpfchen und Wolken. Je größer die Aufstiegsdynamik, um so spektakulärer die Wolkenbildung - derzeit ist die Entwicklung furios: Gewitterfronten mit Windkonvergenzen ballen sich zu Unwettern, die Landschaften fluten.

Ein umfangreiches Atlantiktief (Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn um das Zentrum) liegt derzeit zwischen Island und Schottland (Großbritannien). Seine Kaltfront überquert Mitteleuropa von Nordwest nach Ost und trifft auf sehr warme und feuchte Luft; in den letzten Tagen war es vielfach schwül und die Temperatur erreichte gut 30°C. Die Energiedichte dieser Luft ist sehr hoch. Nun wird diese Energie freigesetzt.

So wie bei kochendem Wasser am Topfboden Wasserdampfblasen aufsteigen, bilden sich auch beim Aufstieg feuchtwarmer Luft in der Atmosphäre zufällige lokale Schwerpunkte. Das ist bei Hitzegewittern im Hochsommer sehr gut zu beobachten, wenn sich während des Nachmittags ein einzelner mächtiger Wolkenamboss am Himmel formt. Badende können dann ihre feuchte Haut als Frühwarnsystem nutzen: Weht der Wind in Richtung Gewitterwolke ist es Zeit zum Aufbruch. Denn typisch für sehr energiereiche Gewitterwolken ist die Windkonvergenz (Zusammenströmung) am Boden. In Gewitterwolken werden große Luftmassen aufwärts bewegt, derweil entsteht am Boden direkt darunter ein Unterdruck, der durch Luft aus der unmittelbaren Umgebung ausgeglichen wird. Es entsteht eine konzentrische bodennahe Luftströmung zum Bereich unterhalb des Wolkenturms, der Wind weht aus allen Richtungen zum Gewitter.

Bilden sich durch die Abkühlung in oberen Atmosphäreschichten  in der energiereichen und wasserreichen Luftmasse Wassertröpfchen wird Kondensationswärme frei. Damit stabilisiert sich der Temperaturgegensatz zwischen aufsteigender Warmluft und kühler Umgebung; die Aufwärtsbewegung gewinnt an Dynamik. Treffen in der Wolke Wassertröpfchen oder Eiskristalle aufeinander vereinigen sie sich und wachsen dadurch an. Im steten Aufwärtsluftstrom der Gewitterwolke werden die anwachsenden Eiskristalle immer wieder empor geschleudert. So durchlaufen sie mehrere Wachstumszyklen und können zu großem Hagel heranwachsen. Je höher die Energiedichte der Warmluft war, um so mehr Kondensationswärme wird in der Wolke frei, um so stärker sind die Aufwinde in der Wolke, um so größer können die Hagelkörner wachsen - und um so heftiger sind die Unwetter, die sich entladen.

Genau dieses Szenarium entwickelt sich derzeit über Mitteleuropa. Jedoch nicht in einer einzelnen Gewitterwolke, sondern auf breiter Front. Von West nach Ost fortschreitend entwickeln sich teils schwere Gewitter. Während der Unwetter entlädt sich heftiger Starkregen bis 40 Liter pro Quadratmeter und Hagel mit Korngrößen um 3 cm Durchmesser. Im Gewitterregen kühlt sich die Luft unter der Wolke sehr rasch sehr stark ab. Da Kaltluft schwerer ist als Warmluft, fällt alsbald ein Kaltluftpaket zu Boden. Das sind die gefährlichen Fallböen eines aktiven Gewitters, die als Sturmböen oder schwere Sturmböen mit dem Gewitterregen über die Landschaft ziehen.

Die explosive Mischung aus schwülwarmer Frühsommerluft und polarer Kaltluft trifft sich zu Pfingsten über Mitteleuropa. Auch wenn sich die Luftmassenkonfrontation auf breiter Front abspielt, Gewitter wüten meist eng begrenzt. Regnen wird es aber allerorten, aber bei weitem nicht so intensiv wie unter den Einfluss der Unwettergewitter. Das ist der meteorologischen Vorteil solcher Wetter-Explosionen, sie wirken heftig aber lokal und zeitlich begrenzt.

Quellen:

MSc.-Met. Thore Hansen: Explosive Mischung. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 03.05.2017

Erstellt am 4. Juni 2017
Zuletzt aktualisiert am 4. Juni 2017

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