Wetter

Tropennächte torpedieren die Gesundheit

von Holger Westermann

Tropennacht

Laue Sommerabende verführen zu spätem Beginn der Nachtruhe. An sich ist das kein Problem, denn lange lichte Tage reduzieren das Schlafbedürfnis. Doch hindert drückende Hitze beim Einschlafen oder hält nachts wach, fühlt man morgens unausgeschlafen. Bei anhaltend schlechter Schlafqualität können ernsthafte Gesundheitsprobleme auftreten.

Meteorologen sprechen von einer Tropennacht wenn das Thermometer zwischen 20:00 Uhr abends und 08:00 Uhr in der Früh nicht unter 20°C sinkt. Hierzulande ist das ein seltenes Ereignis; Spitzenreiter in Deutschland ist die badische Universitätsstadt Heidelberg mit durchschnittlich 3,3 Tropennächten pro Jahr (1961 - 1990). Dieser meteorologisch-traditionelle Mittelwert hat inzwischen nur noch begrenzte Aussagekraft. Im jüngeren Referenzzeitraum zwischen 1981 und 2010 wurden dort durchschnittlich 4,5 Tropennächte beobachtet. Auch andere Rekordwerte sind jünger: Im Hitzesommer 2003 wurden in Kehl (Baden-Württemberg, Deutschland) insgesamt 21 Tropennächte und im Juli 2006 in Wien (Österreich) 16 Tropennächte in Folge gezählt.

Gerade in den letzten Jahren häufen sich die sehr warmen Sommer; Orte mit 10 Tropennächten in einem Jahr (wenn auch nicht jedes Jahr) sind keine Seltenheit. Zumeist liegen sie im Süden. Hier scheint die Sonne intensiver und die Heißluftquellen in Nordafrika (Sahara), dem Balkan oder der iberischen Halbinsel und Südfrankreich liegen einige hundert Kilometer näher als zur norddeutschen Tiefebene. Diese Heißluftreservoirs sind Voraussetzung und Ursprung der Hitze hierzulande. Entweder flutet die erhitzte Luft innerhalb eines Hochdruckgebiets heran, beim Absinken erwärmt sie sich zusätzlich (adiabatische Erwärmung bei zunehmendem Luftdruck; am Boden höher als in der Atmosphäre darüber), oder sie wird durch heranziehende Atlantiktiefs nach Mitteleuropa gelenkt.

In Tiefdruckgebieten strömt die Luft entgegen dem Uhrzeigersinn um das Zentrum. Trifft das Tief auf Höhe der Britischen Inseln auf Europa, zapft diese Strömung Luft aus dem Mittelmeerraum an und lenkt sie nordwärts. Ist die Luft dort sehr heiß, spüren die Menschen hierzulande einen rasanten Temperaturanstieg. Ist das Tief ostwärts weiter gezogen dreht die Zirkulationsströmung auf Nordwest und führt Kaltluft heran. So folgt auf jede Hitzewelle ein Kaltluftvorstoß; der Luftmassenwechsel wird zumeist von heftigen Gewittern begleitet.

Da einströmende heiße Luft den Temperaturanstieg zum Gutteil bedingt, ist die aktuell intensive Sonneneinstrahlung lediglich effektverstärkend aber nicht effektbegründend. Die Warmluft kühlt auch bei Nacht kaum ab. Nach wenigen Stunden steigt die Sonne steil am Himmel empor und heizt den Boden und damit die bodennahe Luft schon am frühen Morgen wieder auf.

In Tropennächten fällt es schwer Schlaf zu finden, denn in der warmen Umgebung gelingt es nicht, die Körpertemperatur ausreichend abzusenken. Wer das schwere Federbett gegen ein leichtes Bettlaken tauscht, kann auf bessere Schlafqualität hoffen. Ganz bloß zu liegen ist nicht empfehlenswert, da die Auskühlung dann zu drastisch ausfallen kann und die gewohnte Zudecke vermisst wird. Schlechter Schlaf ist nicht nur unangenehm, die Folgen für die Gesundheit können durchaus relevant sein:

  • Konzentrationsfähigkeit schwindet, das provoziert Stress
  • Soziale Verträglichkeit nimmt ab; Reizbarkeit und Innere Unruhe nehmen zu
  • Depressive Stimmung gewinnt Oberhand
  • Stress lässt den Blutdruck steigen
  • Herz und Kreislauf werden belastet
  • Appetit auf energiereiche Ernährung nimmt zu
  • Affinität zu Rauschmitteln steigt - Kaffee, Alkohol, Medikamente, illegale Drogen
  • Immunsystem schwächelt, Anfälligkeit für Infekte nimmt zu
  • Schlafstörungen sind Trigger für Schmerzattacken bei Migräne

Je länger die Hitzewelle mit Tropennächten plagt, um so wahrscheinlicher treten Gesundheitsprobleme auf. Menschen, die mit chronischen Erkrankungen leben müssen, sind dabei oft sensibler als andere. Vor diesem Hintergrund ist die langfristige Aussicht der Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) aus Wien wenig ermutigend: Durch den Klimawandel begünstigt werden insbesondere in den urbanen (städtischen) Ballungsräumen Süddeutschlands und Österreichs zukünftig mit häufigeren und längeren Tropennacht-Perioden zu rechnen sein. Für das Ende des Jahrhunderts, den 30-Jahreszeitraum von 2071 bis 2100 wurden von Klimamodellen im Norden 2 bis 7 und im Süden 5 bis 15 zusätzliche Tropennächte im Vergleich zum Mittel der Jahre 1961 bis 1990 errechnet. Die Mehrzahl der heute lebenden Menschen wird das nicht mehr betreffen, doch zeigen diese Berechnungen die Tendenz zukünftiger Wärmebelastung während der Nächte in Mitteleuropa.

Quellen:

MSc.-Met. Thore Hansen: Schlafraubende Sommernächte. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 18.07.2017

Klimawandel in Städten: neue internationale Kooperation. Pressemitteilung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) aus Wien vom 16.05.2017.

Erstellt am 18. Juli 2017
Zuletzt aktualisiert am 18. Juli 2017

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