Körperliche Nähe des geliebten Partners senkt die Schmerzsensibilität

Zärtlichkeit lindert Schmerzen

von Holger Westermann

Einsamkeit, emotionaler Stress und negative Gedanken können das Schmerzempfinden verstärken. Wer psychisch angespannt ist, empfindet physisches Leid intensiver als ausgeglichene Menschen. Glücklicherweise gilt auch der Umkehrschluss, dass Entspannung und tröstender Körperkontakt konkrete Pein lindert: Händchenhalten senkt die Sensibilität für Schmerzreize.

Schmerzgeplagte Menschen beteuern, dass der spürbare Körperkontakt vertrauter Menschen das Leid abschwächt. Die Anekdoten sind vielfältig, Wöchnerinnen, die sich an die Geburt erinnern und jüngst Verletzte berichten davon. Forscher der Universität Haifa (Israel) untersuchten diesen Effekt nun empirisch-experimentell an 22 heterosexuellen Paaren. Alle Paarbeziehungen hatten bereits mehrere Jahre Bestand und wurden als „glücklich“ bezeichnet.

Die Anordnung des Versuchsaufbaus orientierte sich am Szenario während einer Geburt. Zwar war die Intensität der experimentell verabreichten Schmerzen deutlich geringer und niemand musste in unbequemer Position liegen, beibehalten wurde aber die Rollenverteilung: Die Frauen erlitten den Schmerz, die Männer sollten trösten.

Die Sitzposition war so gewählt, dass die beiden nebeneinander stehenden Sessel in entgegengesetzte Richtung wiesen. Angelehnt konnten sich die Partner entspannt ansehen und je nach Experiment, entweder Händchenhalten, lediglich Blickkontakt aufnehmen oder sich abwenden und die Aufmerksamkeit auf anderes konzentrieren. In einem weiteren Experiment blieb die Frau mit ihren Schmerzen allein, der Partner befand sich ohne Blickkontakt in einem Nachbarraum. Die objektive Schmerzintensität, der die Frauen ausgesetzt wurden, war bei allen Versuchen gleich groß. Die scherzhaften und schmerzlindernden Effekte wurden anhand der Veränderung von Herzrhythmus und Atemfrequenz gemessen.

Die Ergebnisse belegen die schmerzlindernde Wirkung spürbarer Zuwendung. Wurde die Hand gehalten, war der Effekt am größten. Zudem erwies sich die Tiefe der emotionalen Bindung zwischen den Partnern als relevant; der Schmerz schwand bei empathisch eng verbundenen Paaren besonders deutlich.

Die Forscher sehen in der intensiv geübten Empathie zwischen Lebenspartnern die Grundlage für eine emotionale Synchronisation. Leidet der Partner, empfindet man echtes Mitleid. Der zarte Körperkontakt verstärkt den Effekt, indem sich die Partner gegenseitig der emotionalen Nähe vergewissern. Von diesem Verstärkungseffekt profitieren vorrangig Menschen, die in emotional stabilen Partnerschaften leben. Die Forscher formulieren in ihrem Fazit: „Womöglich kommunizieren die Berührungen (zwischen den Partnern) Empathie, wodurch die Schmerzen gelindert werden." Dann senkt nicht das Händchenhalten die Empfindlichkeit für zugefügten Schmerz. Der zarte Körperkontakt mit dem geliebten Partner bestätigt vielmehr die Gewissheit in einer belastbaren Partnerschaft zu leben - in sozialer Sicherheit. Alarmierender Schmerz verliert damit einen Gutteil seiner stressauslösenden Wirkung und kann als „weniger wichtig“ bewertet werden. Die empfundene Schmerzintensität sinkt.

Quellen:

Goldstein, P. et al. (2017): The role of touch in regulating inter-partner physiological coupling during empathy for pain. Scientific Reports 7(1) : 3252. doi: 10.1038/s41598-017-03627-7.

Erstellt am 24. Juli 2017
Zuletzt aktualisiert am 24. Juli 2017

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