Wetter

Atemnot durch Hochdruck im Herbst

von Holger Westermann

Eine Hochdruckzone zwischen dem Nordatlantik und Russland blockierte in den letzten Tagen den Durchmarsch von Atlantiktiefs. Die stete Abkühlung erzeugte zähen Nebel, doch wo er sich auflöste lockte Sonnenschein ins Freie. Allzu tief durchatmen sollte man dabei aber nicht, denn in den bodennahen Luft reicherten sich Schadstoffe an. Damit ist nun Schluss, einströmende Kaltluft wirbelt die Atmosphäre durcheinander und bis in die Niederrungen einsetzender Schneefall säubert die Atemluft.

In dem zurückliegenden Tagen wurde lediglich das nördliche Mitteleuropa von atlantischen Tiefausläufern tangiert und dabei durchlüftet. Südlich der norddeutschen Tiefebene breitete sich unter herbstlichen Hochdruckeinfluss eine Nebellandschaft aus. Grund dafür sind die Temperaturverhältnisse der bodennahen Luftmassen. Im Sommer bedeutet ein Hoch auf der Wetterkarte wolkenlosen Himmel und Sonnenschein. Die absinkende Luft (dadurch erhöht sich den Luftdruck an Boden) erwärmt sich adiabatisch (im Vergleich zu höheren Atmosphäreschichten steht die Luft am Boden unter höherem Druck und wird dadurch wärmer, ca 1°C pro 100m) und löst alle Wolken auf. Der Sonnenschein kann ungehindert von Wolken die Boden erwärmen. Im Winterhalbjahr steht die Sonne jedoch tief am Himmel und bewirkt nur wenig Strahlungswärme, in den langen Nächten kühlt der Boden bei sternklarem Himmel sehr stark aus. So trifft bei anhaltendem Hochdruck die adiabatisch erwärmte Luft auf eine bodennahe Luft, die durch Kontakt zum kalten Boden stark abgekühlt und damit kälter ist als absinkende Luft. Meteorologen sprechen von einer „Bodeninversion“ (In Abgrenzung zur winterlichen Absinkinversion in 700 bis 1200m Höhe) und von „Strahlungsnebel“ (aufgrund der Wärmeabstrahlung des Bodens).

Stabile Nebellagen sind trübsinnig. Ohne Sonnenschein, bei gleichförmig diffusen Lichtverhältnissen, fehlt der strahlend helle Reiz für die Stimulation des Schlaf-Wach-Rhythmus über den Melatonin-Serotonin-Hormonwechsel. Ein oder zwei Tage ist eine solche Wetterlage noch gut zu ertragen. Hält sie länger an, grämt sich das Gemüt. Aber auch die Atemwege leiden, denn die Schadstoffkonzentration steigt bei Nebelwetter stark an. Die Inversion verhindert den Luftaustausch nach oben und Nebel hält sich nur, wenn auch der Seitwärts-Luftaustausch (WInd) ausbleibt. Die eingeschlossene Luftschicht ist bei Bodeninversion besonders dünn und umfasst ein geringes Luftvolumen, in dem aber ein Gutteil der luftverschmutzenden Aktivität stattfindet. Ruß, Feinstaub und andere Schadstoffe aus Heizung und Verkehr, in geringerem Umfang auch Industrie reichern sich an und belasten die Menschen.

Für Menschen mit Atemwegserkrankungen ist der Herbstnebel an sich schon ein Gesundheitsrisiko. Bei ihnen wirken die feinen kalten Wassertröpfchen wie ein Reizstoff, denn Flüssigkeiten sind sehr viel bessere Wärmeleiter als Gase. Dadurch provoziert nasskalte Nebelluft  beim Einatmen Verkrampfungen der Atemmuskulatur und Wassereinlagerungen in den Schleimhäuten der oberen Atemwege. Beides verursacht bei den Patienten, die krankheitsbedingt ohnehin schon verengte Atemwege aufweisen, zunehmende Atemnot.

Glücklicherweise flutet nun ein Schwall Polarluft Mitteleuropa und vertreibt das Nebelwetter. Schnee fällt bis in tiefe Lagen, in den Alpen und den Hochlagen der Mittelgebirge wird eine kräftige Neuschneeauflage erwartet. Der Wetterumschwung reinigt die Luft, Menschen mit Atmwegsbeschwerden können aufatmen, wenn auch nicht frei durchatmen. Denn die negativen Folgen der Kältereize bleiben bestehen. Fürchten müssen sich jedoch Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, denn für sie bedeutet der Temperatursturz ein erhöhtes Infarktrisiko.

Quellen:

Dipl.-Met. Thomas Ruppert: Hochdruck im Herbst. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 16.11.2017

Erstellt am 17. November 2017
Zuletzt aktualisiert am 18. November 2017

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