Wetter

Rasanter Temperaturanstieg, Hitze und Sonnenstrahlung belasten Wohlbefinden und Gesundheit

von Holger Westermann

Ein Tiefdruckgebiet (Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn um das Zentrum) über dem Atlantik und ein Hoch über Osteuropa (Luftströmung im Uhrzeigersinn) führen heiße Saharaluft über das Mittelmeer nach Mitteleuropa. Die Luft kühlt auf ihrem Weg nur wenig ab, nimmt aber reichlich Feuchtigkeit auf. Dabei ist ist der Himmel hierzulande während der langen lichten Tage wolkenlos. Die Temperaturmaxima nähern sich 40°C, nachts kühlt es kaum unter 20°C ab. Bereits der Beginn solcher Wetterlagen ist für viele Menschen eine spürbare Gesundheitsbelastung. Sind mehrere Tage in Folge so heiß und bleiben erfrischende kühlere Episode aus, summieren sich die vielfältigen Hitzeeffekte.

Fünf Wettereffekte werden wirksam:

  • Gefühlte Temperatur,
  • direkte Sonnenstrahlung,
  • Reflexionsstrahlung (Albedo),
  • Ozonbildung und
  • Feinstaub/Pollen.


Dadurch werden vielfältige Gesundheitsrisiken provoziert, beispielsweise:

  • Körperliche Hitzereaktion,
  • Atembeschwerden,
  • Schlafstörung,
  • körperliche Leistungsschwäche,
  • geistige Leistungsschwäche.


Für die Wirkung der Hitze auf den Körper ist die „gefühlte Temperatur“ relevant. Deshalb verwenden wir sie auch bei den Menschenswetter-Vorhersagen. Windiges Regenwetter wird kälter empfunden als der Thermometerwert anzeigt, schwüle Hitze im Sonnenschein erscheint dagegen deutlich wärmer. Dementsprechend reagiert der Körper mit frösteln oder schwitzen.

Die direkte Sonnenstrahlung bewirkt über ihren Infrarotanteil (IR) eine verstärkte Erwärmung, die energiereicheren ultravioletten Anteile (UV) regen die Bräunung der Haut an, verursachen aber auch den Sonnenbrand und langfristig steigt das Risiko für Hautkrebs. Wolkenloser Himmel garantiert eine extreme UV-Belastung über viele Stunden.

Hinzu kommt die Refexionsstrahlung, die „Albedo“ (lat. albus = weiß). Eine Oberfläche mit einer Albedo von 0,3 reflektiert 30% der einfallenden Strahlung und absorbiert 70%, die in Wärme umgewandelt werden. Je heller die Oberfläche, desto größer ist ihre Albedo. Bei Grasflächen oder Waldgebieten werden noch 20% der einfallenden Strahlung reflektiert, Wasserflächen und Städte mit Mauerwerk und asphaltierten Straßen dagegen nur 0,1 bis 0,15. Auch aus diesem Grund, sowie der geringen Verdunstungskühle versiegelter Flächen bilden Städte Wärmeinseln in denen es stets ein paar Grad wärmer ist als im Umland.

Während mehrtägiger Hitze steigt in Städte das Risiko kritischer Konzentration von Ozon (O3) und Stickoxiden (NOx). Beide Gase belasten die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System. Ozon entsteht unter dem Einfluss von Sonnenlicht und Wärme aus den Bestandteilen der Abgase von Verbrennungsmotoren, den Stickoxiden und flüchtigen organischen Kohlenwasserstoffen (VOC). Insofern sind die Verkehrsschwerpunkte in heißen Innenstädten besonders belastete Regionen.

Das gilt auch für Feinstaub und Pollen. Dabei ist die Mischung aus klebrigen VOC, Abrieb von Reifengummi und Bremsen gemeinsam mit feinem Straßenschmutz und Pollen eine aggressive Attacke auf die Atemwege. Mehrere heiße Tage ohne Regen erhöhen die Konzentration, das die Materialen nicht fortgespült werden. In der heißen Luft können die getrockneten Substanzen sehr leicht aufgewirbelt werden. Die Konzentration in der Atemluft steigt an.

Die Reaktion des Körpers auf Hitze soll die ideale Arbeitstemperatur von 36,5°C halten (nachts weniger, nachmittags und abends merklich höher) garantieren. Bei Kälte bedeutet dies den Wärmeverlust zu reduzieren, bei Hitze muss die Wärmeabgabe optimiert werden. Geregelt wird die Wärmeabgabe durch die Intensität der Durchblutung der Körperobefläche. Denn das Blut transportiert die Körperwärme von den Organen und der Muskulatur zur Haut. Weiten sich die Adern, strömt mehr Blut unter der kühlen Haut vorbei und kann dabei eine größere Wärmemenge an die Umgebung abgeben. Genügt der Effekt nicht, um die ideale Betriebstemperatur des Körpers zu erreichen, beginnt der Mensch zu schwitzen. Das passiert meist unmerklich, denn die abgegebene Flüssigkeit verdunstet unmittelbar auf der Haut und kühlt sie dabei (Verdunstungskälte).

Gesundheitsprobleme beginnen, wenn man das unangenehme Körpergefühl beim Schwitzen beklagt. Denn dann bleibt der kühlende Effekt aus, weil der Schweiß nicht mehr verdunstet, sondern wirkungslos den Körper hinabrinnt. Verantwortlich dafür ist Schwüle. Steigt der Thermometerwert über 17°C, kann ab 13,5g Wasserdampf pro Kubikmeter Luft (entspricht dann 90% relative Luftfeuchte) Schwüleempfinden auftreten. Bei 20°C tritt der Effekt schon ab 78% relativer Luftfeuchte auf, bei 25°C sind es 59%, bei 30°C ab 45% und bei Körpertemperatur 37°C schon ab 31%. Steigt die Wasserdampfmenge an (wärmere Luft kann mehr Feuchte tragen), nimmt das Schwülegefühl zu. Je höher die Luft bereits mit Wasserdampf gesättigt ist, um so weniger Verdunstungskälte kann auf der Haut entstehen Der Körper versucht dies zu kompensieren, indem noch mehr Feuchtigkeit zur Verdunstung angeboten wird - man schwitzt intensiver aber immer noch nicht wirkungsvoll.

Bei maximal geweiteten Adern steht der selben Blutmenge ein größeres Volumen zur Verfügung. Infolgedessen sinkt der Blutdruck. Dadurch können Schwindel, Kopfschmerzen und reduzierte Muskelspannung (Tonus) auftreten. Für ältere Menschen steigt das Risiko zu stürzen.

Fürs Schwitzen benötigt der Körper viel Wasser, eine Gutteil davon entzieht er dem Blut. Das Blutvolumen nimmt ab, die Folgen der geweiteten Adern verstärken sich. Zudem verändert sich das Fließverhalten des eingedickten Blutes, es strömt nicht mehr so gleichmäßig. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit für spontane Verschlüsse von Adern (Thrombosen), die Infarkte verursachen können. Auch deshalb ist es wichtig, bei Hitze ausreichend zu trinken.

Atembeschwerden bei Hitze gründen auf mehrere Effekte. Einerseits wirken sich die Herz-Kreislauf-Beschwerden auch auf die Atmung aus. Menschen meiden körperliche Anstrengung und Bewegung, die Atmung wird flacher. Andererseits steigt bei Hitze die Schadstoffbelastung der Luft, was die Atemwege reizt und allergische Reaktionen provozieren kann. Drittens sinkt die Sauerstoffaufnahme je Atemzug, denn bei zunehmender Wärme rücken die Luftmoleküle weiter auseinander, die Luft wird „dünner“. Bei Schwüle treten noch Wassermoleküle hinzu, so dass noch weniger Sauerstoffmoleküle Platz finden. Gesunde Menschen werden das kaum bemerken, doch für Menschen mit angegriffenen Lungen (beispielsweise COPD) kann dieser Effekt erhebliche Beschwerden hervorrufen.

Bei Hitze sinkt die Schlafqualität, es fällt schwer abends einzuschlafen oder bei Nacht wieder einzuschlafen. Besonders belastend werden „Tropennächte“ empfunden, wenn das Thermometer nicht unter 20°C sinkt. Der Schlaf wird als wenig erholsam empfunden. Bei längeren Hitzeperioden summieren sich die nächtliche Schlafstörung und tagsüber die Kreislaufbelastung sowie Konzentrationsprobleme zu einer allgemeinen Leistungsschwäche, die auch Unfälle aus Unachtsamkeit begünstigt.

Blutdruckabfall, schwache Muskelspannung, Schwindelgefühl und Schlafdefizit bewirken ein generelles Motiviatonsprobelm: Körperliche Aktivität wird wenn möglich vermieden. Damit verstärken sich die Hitzeeffekte gegenseitig. Moderate Bewegung könnten den Kreislauf in Schwung bringen und die Muskulatur mit Sauerstoff versorgen, auch die Organaktivität würde profitieren - doch die Hitze hemmt jede Motivation dazu.

Ebenso belastend wird die Wirkung von Hitze auf die geistige Frische empfunden. Sonniges Wetter weckt geistige Agilität, doch wenn die gefühlte Temperatur über 25°C steigt, dreht sich der Effekt um, besonders deutlich bei Schwüle. Parallel zu nachlassender Kreativität, Konzentration und Motivation sinkt bei Mitmenschen (auch bei einem selbst, aber da bemerkt man es nicht sofort) Geduld, soziale Nachsichtigkeit und Toleranz, aggressives Verhalten tritt häufiger auf. Besonders augenfällig ist der Effekt im Straßenverkehr, denn schon nach einer halben Stunde werden im Auto bei 25°C rund 40°C erreicht; bei 40°C steigt die Innenraumtemperatur auf 58°C. Dann ist eine Klimaanlage keine Luxus mehr, sondern ein notwendiges Instrument zur Verbesserung der Verkehrssicherheit.

Das gilt auch für die allgemeinen Gesundheitsfolgen der Hitze. So konnte eine aktuelle Studie zeigen, dass im Spanien die Zahl der hitzebedingten Herz-Kreislauf-Todesfälle um rund 40% sank, obwohl die Durchschnittstemperatur seit 1980 um 0,77°C gestiegen ist. Die Forscher verweisen darauf, dass im Beobachtungszeitraum das Pro-Kopf-Einkommen € 8.700 auf € 22.880 Euro pro Jahr gestie­gen ist und die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben von € 605 auf € 2.182. Parallel dazu stieg der Anteil Haushalte mit Klimaanlage von 4,16% im Jahr 1991 auf 35,5% im Jahr 2008.

Nun ist hierzulande das Sommerwetter weit seltener von Hitzeperioden bestimmt als auf der iberischen Halbinsel, erhöht sich die durch­schnittliche Mortalität während einer Hitzewelle um 8 bis 12%, unter älteren Menschen ist der Effekt noch größer. „Kühlen Kopf bewahren“ ist eine Empfehlung, die bei Hitze ganz allgemein der Gesundheit zugute kommt. Dazu lohnt es frühmorgens aufzustehen, wenn die Luft kühl und frisch ist, um kräftig zu lüften. Danach sollten die Fenster tagsüber geschlossen bleiben, um die Heißluft mit Feinstaub, Pollen und Ozon so weit es geht „vor der Tür“ zu lassen.

Quellen:

Deutsches Ärzteblatt (2019): Warnungen vor hitzebedingten Gesundheitsirisken. Online veröffentlicht 24.06. 2019

scinexx (2019)
: Von Stickoxiden zum Ozon. Online veröffentlicht 18.06. 2019

Robert-Koch-Institut (2019)
: Schätzung der Zahl hitzebedingter Sterbefälle und Betrachtung der Exzess-Mortalität; Berlin und Hessen, Sommer 2018. Epidemiologisches Bulletin Nr. 23, online veröffentlicht 6.6. 2019. ISSN (Online) 2569-5266.

Nunes, A.R. (2019): General and specified vulnerability to extreme temperatures among older adults. International Journal of Environmental Health Research, online veröffentlicht 14.05.2019. DOI: 10.1080/09603123.2019.1609655

Miles-Novelo, A. et al. (2019): Climate Change and Psychology: Effects of Rapid Global Warming on Violence and Aggression. Current Climate Change Reports 5 (1): 36 – 46. DOI: 10.1007/s40641-019-00121-2.

Westermann, H. (2016): Die Stadt als Wärmeinsel. Menschenswetter Artikel 1377, online veröffentlicht 18.04. 2016

Erstellt am 1. Juli 2019
Zuletzt aktualisiert am 1. Juli 2019

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