Erfolgreiche Unterstützung durch Online-Psychtherapie

Diagnose Depression

von Holger Westermann

Zwei Langzeitstudien erkennen einen Anstieg der Diagnose Depression. Dabei gleichen sich die Werte von Männern und Frauen sowie zwischen West- und Ostdeutschland weiter an. Grund dafür ist wahrscheinlich die höhere Sensibilität und Akzeptanz gegenüber Betroffenen in der Bevölkerung. Zudem hat sich die Qualität der Diagnose durch Hausärzte verbessert. Erst mit einer präzisen Diagnose ist es möglich auch moderne Formen der Therapieunterstützung, beispielsweise durch Schulungen im Internet, zu nutzen.

Laut einer Versorgungsatlas-Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) stieg die Diagnoseprävalenz für Depression und depressive Verstimmung (Prozentualer Anteil der untersuchten Gruppe - hier der gesetzlich Versicherten in Deutschland -  mit der Diagnose Depression) zwischen 2009 und 2017 von 12,5% auf 15,7%. Das entspricht einer Steigerung von 3,2%-Punkten oder 26%. So trifft diese Diagnose inzwischen jeden sechsten Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Dieser Befund deckt sich mit den Resultaten der Gesundheits­stu­die NAKO (Nationale Kohorte) mit 100.000 Studienteilnehmern in Deutschland. Darin erklärten 15% der Probanden (darunter 68% Frauen-), bereits die Diagnose einer Depressi­on erhalten zu haben. Prof. Dr. Ulrich Hegerl (Universität Leipzig), Vorstandschef der Stiftung Deutsche Depres­sions­hilfe erklärt: „Die ersten Ergebnisse der NAKO-Studie bestätigen, dass Depressionen eine häufige Erkrankung sind“. Doch das müsse nicht bedeuten, dass immer mehr Menschen unter Depression oder depressiver Verstimmung leiden, denn „Die Krankheit ist vielen bewusster geworden“. Die Menschen wenden sich bei Beschwerden an den Arzt, der dann die Diagnose stellen könne. Insofern sei die steigen Zahl der Diagnosen auch Folge erfolgreiche Aufklärungsarbeit.

Diese Vermutung bestätigte die Ergebnisse die Zi-Studie, da sich die Zunahme der Diagnose Depression vorrangig aus den bislang unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen rekrutierte: Männer und Menschen aus den ostdeutschen Bundesländern. Früher traf die Diagnose Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer, doch durch den stärkeren Zuwachs bei Männern (+40%) gegenüber Frauen (+20%) schwindet dieser Unterschied. Depression und depressive Verstimmung ist keine „Frauenkrankheit“, sie wurde nur bislang bei Männern seltener diagnostiziert. Womöglich, weil sich Männer viel seltener bei entsprechende Beschwerden an einen Arzt wandten. Ein vergleichbarer Effekt ist beim Ost-West-Vergleich der Bundesländer sowie zwischen Menschen auf dem Land  und der Stadtbevölkerung zu beobachten. Die Werte der Diagnoseprävalenz gleichen sich an.

Ein erfreulicher Befund ist die offensichtlich größere Sorgfalt mit der insbesondere Hausärzte die Diagnose stellen. Wurde bislang in den Abrechnungen mit der gesetzlichen Krankenkasse sehr allgemein „Depression“ genannt, wird nun zunehmend eine präzise Unterscheidung nach Typus und Schwergrad notiert. Während 2009 noch rund 77% aller hausärztlichen Depressionsdiagnosen unspezifisch codiert wurden, waren es 2017 nur noch 50%.

Erst wenn den Betroffenen eine präzise Diagnose bekannt ist, können sie zur Therapieunterstützung auch Online-Angebote nutzen. Nicht jede Schulung ist für jeden Patiententyp geeignet. Hier ist es unbedingt notwendig, vor der Nutzung solcher Internetkurse mit dem Arzt oder Psychotherapeuten zu sprechen. Die Stiftung Warentest hat kürzlich acht solche Onlineprogramme gegen Depression getestet, nur jedes zweite erwies sich als „empfehlenswert“.

Die Mehrzahl der Kurse stützen sich auf die kognitive Verhaltenstherapie und erwartet den Abruf von ein oder zwei Einheiten pro Woche. Es gibt Erklärungen und interaktive Videos sowie Fragebögen, die online schriftlich beantwortet werden müssen. Eine unmittelbare Intervention, wenn sich eine akute Krise ankündigt, ist bei dieser Form der Therapieunterstützung nicht möglich. Solche Angebote können kein Ersatz für eine Therapie sein. Die Online-Angebote sind nicht für Patienten mit schwerer Depression (major depression) geeignet. So kritisiert Barbara Lu­bisch, Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV), dass Onlineprogramme als Psychotherapie bezeich­net würden, denn Therapie sei die Behandlung von krankheitswertigen Störungen. Sie könne sich die Verwendung von Onlineinterventio­nen begleitend zur Psychotherapie vorstellen, als niederschwellige Maßnahme beispielsweise über eine Verordnung als Hilfsmittel.

Quellen:

NAKO (2019): Depression als Volkskrankheit in der NAKO Gesundheitsstudie. Pressemitteilung online veröffentlicht 19.2.2019

Deutsches Ärzteblatt (2019): Jeder Siebte hat laut NAKO-Studie Erfahrung mit Depressionen. Bericht über die Veranstaltung „NAKO Gesundheitsstudie – Epidemiologie im 21. Jahrhundert: Erwartungen, Chancen, Herausforderungen.“ Online veröffentlicht 26.06. 2019.

Steffen, A. et al. (2019): Zeitliche Trends in der Diagnoseprävalenz depressiver Störungen: eine Analyse auf Basis bundesweiter vertragsärztlicher Abrechnungsdaten der Jahre 2009 bis 2017. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 19/05. Berlin 2019. DOI: 10.20364/VA-19.05

Stiftung Warentest (2019): Depression Psycho­therapie online – geht das? Acht Programme im Test. Online veröffentlicht 26.06.2019.

Erstellt am 3. Juli 2019
Zuletzt aktualisiert am 3. Juli 2019

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