Leistungsdruck auf Kleinkinder belastet deren psychische Entwicklung

Depressiv im Kindergarten

von Holger Westermann

Kinder können bereits im Vorschulalter unter ernsthaften Angst- und Depressions­-Symptomen leiden, die durch einen Arzt behandelt werden sollten. Dabei handelt es sich nicht um eine seltene, sondern um eine weit verbreitete – wenn auch zumeist unbeachtete – Störung der psychischen Entwicklung.

Das Forscherteam um Prof. Dr. Kai von Klitzing am Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes/Jugendalters der Universität Leipzig untersuchte alle Kinder eines Jahrgangs, die in Leipzig einen Kindergarten besuchten (1.740) auf erhöhte Ängstlichkeit und depressive Verstimmung. Sie stellten fest, dass immerhin 12% der Kleinkinder auffällige Symptome wie andauernde Traurigkeit, Schlafstörungen, Gereiztheit oder Spielhemmung zeigten. Bei der Hälfte dieser Kinder waren die Anzeichen so schwerwiegend, dass eine ärztliche Behandlung angeraten wurde, um ernsthaften Erkrankungen im Erwachsenenalter vorzubeugen.

„Wenn ein Kind dauerhaft traurig ist, nicht spielen will oder lustlos in der Ecke sitzt, sollte man genauer hinschauen“, ermahnt von Klitzing Elternhaus, Kindergarten, Vorschule und Grundschule. Ohne die kompetente Hilfe eines Facharztes sei zu befürchten, dass diese Kinder im Erwachsenenalter eine Depression entwickelten.

Dabei sei jedoch zu beachten, dass nicht jedes Kind, das ängstlich sei, zwingend unter einer psychischen Erkrankung leide. So sei beispielsweise Angst vor Dunkelheit oder vor großen Tieren genauso normal wie die anfängliche Angst und Traurigkeit, sich morgens vor dem Kindergarten von den Eltern zu trennen.

Überdurchschnittlich häufig sind jedoch Kinder betroffen, deren Eltern selbst depressive Episoden durchleiden. Offensichtlich spielt die genetische Disposition (Vererbung der Veranlagung) dabei eine wesentliche Rolle. Zudem ist es für die Kinder selbst psychisch belastend, wenn sie Mutter oder Vater während deren depressiver Episode völlig verändert erleben. Aber auch traumatisierende Erlebnisse wie der Verlust geliebter Menschen (oder Haustiere) aus dem engeren sozialen Umfeld oder tiefe Kränkungen wie Vertrauensbruch, Vernachlässigung oder gar Misshandlungen können Depressionen provozieren. Als weiteren Risikofaktor nennen die Forscher einen zu früh einsetzenden Leistungsdruck. Kleinkinder wollen ihren Eltern gefallen, bei der Mehrzahl der Kinder lässt diese Neigung später ein wenig nach – mache Eltern bedauern das. Übereifriges „Fördern durch Fordern“ kann für die Kleinkinder zur psychischen Belastung werden, der nicht alle gewachsen sind.

"Psychische Krankheiten sind in der Gesellschaft heute anerkannter als früher", so Prof. Dr. von Klitzing in seinem Fazit. "Dennoch glauben viele, die Kindheit sei sorgenfrei. Das ist aber eine Illusion."

Quellen:

Otto, Y. et al. (2014): Traurig, besorgt und ängstlich: Depression und Angststörungen im Vorschulalter - Befunde zu Relevanz, Symptomatik und Beeinträchtigungen. Praxis Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 63(3): 154-176.

Erstellt am 25. April 2014
Zuletzt aktualisiert am 25. April 2014

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