Wetter

Die Dynamik des Hagelwachstums

von Holger Westermann

Die typische Begleitmusik zum mitteleuropäischen Hochsommer spielen Gewitter. Der himmlische Perkussionist kennt dabei nicht nur die donnernde Kesselpauke und das Xylophon des prasselnden Regens, sondern auch den hagelnden Trommelwirbel. Die Klöppelgröße und die Vehemenz des Anschlags kann dabei erheblich variieren – je nachdem wie heftig die Thermik der Gewitterwolken den Niederschlag durcheinanderwirbelte.

Hagel entsteht als Begleitphänomen kräftiger Schauer in Gewitterwolken. In diesen herrschen starke Aufwinde von über 30 m/s (108 km/h). Die unteren und mittleren Schichten einer Gewitterwolke besteht aus unterkühlten Wassertröpfchen, die bis zu einer Temperatur von -40°C flüssig bleiben können, sofern sie nicht an Kristallisationskernen (beispielsweise Staubpartikel) zu Eis gefrieren. Bilden sich erste Eiskristalle wachsen sie durch Sublimation von Wasserdampf an ihrer Oberfläche (ohne zwischenzeitlich flüssig zu werden), sowie durch das Festfrieren weiterer unterkühlter Wassertropfen.

So bildet sich zunächst Graupel. Diese Körner sind noch deutlich kleiner als Hagel, etwa 1 bis 5 mm im Durchmesser. In einer hochsommerlichen Gewitterwolke sind die Aufwinde viel zu kräftig, als dass Graupelkörner zu Boden fallen könnten (im Winter kann es dagegen durchaus graupeln). Je stärker die Körner anwachsen, um so größer wird ihre Oberfläche an der weitere unterkühlte Wassertropfen festfrieren. Das Wachstum der Graupelkörner beschleunigt sich rasant. Aus den Graupelkörnern bilden sich immer größere Eiskörner, die irgendwann so schwer werden, dass sie auch vom kräftigen Aufwind nicht mehr in der Schwebe gehalten werden können und zu Boden fallen. Im Fall durch die Wolke gefrieren weiter Wolkentropfen fest.

Eine Gewitterwolke ist kein physikalisch gleichmäßig gestaltetes Gebilde, die Aufwindgeschwindigkeiten im Innern variieren stark. So gelangen die Hagelkörner auf ihrer Fallstrecke immer wieder in Bereiche mit deutlich stärkerem Aufwind und werden trotz anwachsenden Gewichts wieder nach oben gerissen. Verlangsamt sich die Thermik stoppt die Aufwärtsbewegung und das Hagelkorn fällt wieder durch die Wolke hinab. Dabei kann es erneut Wassertröpfchen anlagern und weiter wachsen. Je häufiger dieser Zyklus durchlaufen wird, um so mächtigere Hagelkörner entstehen.

Wie groß die Hagelkörner in einer Gewitterwolke letztendlich werden, bestimmen die Vehemenz des Aufwindes und der Wassergehalt in der Wolke. Besonders starke Aufwinde findet man in sogenannten Superzellen-Gewittern. Diese haben einen ständig rotierenden Aufwindbereich. Sie sind für die meisten großen Hagelereignisse mit Korndurchmessern von über 4 cm verantwortlich.

Bis zu 2cm Korndurchmesser verursacht Hagel nur leichte Schäden an Pflanzen. Hagelgrößen von über 2cm können Früchte beschädigen und Risse in Gewächshausgläsern verursachen. Ab etwa 3 cm Größe entstehen Schäden an Autos und kleinere Äste werden von Bäumen abgeschlagen. Ab 6cm Korndurchmesser können Dachschindeln durchschlagen werden und es besteht ernsthafte Verletzungsgefahr. Das größte in Deutschland registrierte Hagelkorn hatte einen Durchmesser von 14cm und wurde am 6. August 2013 bei Undingen auf der schwäbischen Alb (Baden-Württemberg, Deutschland) gefunden. Solche Hagelkorngrößen werden bei den aktuellen Gewittern zwar nicht erwartet, dennoch kann es wieder zu lokalen Hagelereignissen kommen, wobei vereinzelt Hageldurchmesser von 3cm möglich sind.

Quellen:

Dipl.-Met. Christian Herold: Hagel. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 25.07.2014

Erstellt am 28. Juli 2014
Zuletzt aktualisiert am 28. Juli 2014

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