Vulkane schleudern nicht nur Staub, Gestein, Lava und Asche himmelwärts
Schwefeldampf über Mitteleuropa
Vor vier Wochen wurde der isländische Vulkan Bardarbunga wieder aktiv. Oftmals beeinflussen solche Vulkanausbrüche das Wetter nahgelegener Regionen und (je nach Stärke des Ausbruchs) sogar das Klima weltweit. Bleibt die Vulkanasche innerhalb der Troposphäre (bis 10 km Höhe), sinkt sie recht schnell wieder ab oder wird mit dem nächsten Regen ausgewaschen. Den Regen provoziert die Asche oftmals selbst, denn die Staubteilchen sind prächtige Kondensationskerne die eine rasche Wolkenbildung begünstigen. Reicht der Vulkanauswurf jedoch bis in die Stratosphäre (ca. 10-40 km) sind die Folgen weitreichender – so auch diesmal.
Denn innerhalb der Stratosphäre gibt es nur geringen vertikalen Austausch und Luftmassen sind dort oft jahrelang nachweisbar. Nur die horizontale Durchmischung senkt die lokale Konzentration der Vulkanstaubbestandteile. Im Gegensatz zum Ausbruch des Eyjafjallajökull im April 2010 wurde jedoch bei den aktuellen Eruptionen keine Asche empor geschleudert, die durch Verglasung der heißen Flugzeugturbinen den Luftverkehr über Europa beeinträchtigt. Damals wurde ein Staub aus Obsidian, einem vulkanischen Glas, das bei 1.400°C schmilzt, in die Flugbahn der Düsenjets geschleudert. In den Brennkammern der Triebwerke wird die Luft bis zu 2.200°C heiß, eventuell enthaltener Glasstaub schmilzt. An der Turbine, spätestens in der Schubdüse kühlt sie rasch ab. Dort bildet sich dann ein Glasüberzug, der die Funktion so weit stören kann, dass die Triebwerke ausfallen. Dieses Risiko wollte niemand tragen, so dass damals der Flugverkehr im Einflussbereich der Glasstaubwolke des Vulkans eingestellt wurde.
Klimawirksam wird ein Vulkanausbruch vor allem durch chemische Reaktionen der schwefelhaltigen Asche zu Sulfataerosol (SO42-). Steigt dessen Konzentration in der Stratosphäre, wird das einstrahlende Sonnenlicht zurück in den Weltraum reflektiert, die Erdoberfläche und bodennahe Luftschten werden weniger intensiv erwärmt, das Wetter wird dauerhaft kühler. So bewirkte der mächtigste jemals dokumentierte Vulkanausbruch, 1815 auf der indonesischen Insel Sumbawa, ein „Jahr ohne Sommer“. Der Vulkan Tambura schleuderte 150 km³ Gesteinsmasse in die Atmosphäre und der Staubschleier verursachte durch die Rückstreuung des Sonnenlichts einen globalen Temperatursturz um 3°C im Folgejahr. Das Jahr 1816 verlief dadurch in weiten Teilen Nordamerikas und Europas außergewöhnlich kühl, vielerorts litten die Menschen unter Missernten (insbesondere bei Getreide und Kartoffeln). Der Hunger trieb viele Menschen in die Emigration, beispielswesie aus Südwestdeutschland nach Südrussland (Bessarabien, in der Gegend um Odessa und um Tiflis im Kaukasus) oder in die Vereinigten Staaten.
Derartig heftige Auswirkungen sind durch den aktuellen Bardarbunga-Ausbruch bisher nicht zu befürchten. Allerdings werden vielerorts erhöhte Schwefeldioxid-Werte (SO2) gemessen, für die Isländer besteht dadurch sogar Gesundheitsgefahr. Hierzulande (in rund 2.500km Entfernung) konnte inzwischen auch Schwefeldioxid des Vulkans nachgewiesen werden. Kräftiger Nordwestwind transportierte das Gas nach Mitteleuropa. Der EU-Grenzwert von 350 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3) wurde in Deutschland bisher noch nirgendwo überschritten, in Österreich lediglich kurzzeitig. Zwei Messstellen in der Steiermark registrierten um die 400 µg/m3 und damit die höchsten jemals in Österreich gemessenen Werte. „Von diesen kurzfristig erhöhten Konzentrationen sind kaum Gesundheitseffekte zu erwarten", erläutert Dr. Jürgen Schneider vom österreichischen Umweltbundesamt.
Ob in den nächsten Tagen eine größere, explosive Eruption des isländischen Vulkans droht, ist nach wie vor noch unsicher. Die Höhenströmung stellt sich bei uns jedenfalls auf West um, sodass unser Wetter weniger vom Vulkan, sondern vielmehr von atlantischen Tiefausläufern beeinflusst ist. Der Regen wird die übelriechenden Gase (Aroma von verbranntem Diesel) zuverlässig auswaschen, so haben die ausziehenden Wolken auch einen angenehmen Effekt.
Menschen mit Atemwegsproblemen sollten SO2-Kontakt meiden, denn das Gas reizt Lunge und Bronchien. Langfristiger Kontakt kann auch die Blutbildung stören. Der Umweltmediziner Assoz.-Prof. PD Dipl.-Ing. Dr. med. Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien (Österreich) sieht jedoch keine akute Gefahr für die Bevölkerung. Empfindliche Personen könnten jedoch bereits ab einer Luftbelastung von 200 µg/m3 SO2 die Auswirkungen spüren, wenn Schleimhäute angegriffen oder die Augen gereizt werden. "Ich verstehe, dass die Behörden gewisse Befürchtungen haben, dass die Bevölkerung überreagiert. Allerdings ist es wichtig, der Bevölkerung rechtzeitig und unaufgeregt zu übermitteln, wie sie darauf reagieren kann - und was das zu bedeuten hat", beruhigt Prof. Hutter.
Quellen: Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann: Wenn die Erde brodelt und Feuer spuckt. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 28.09.2014 Schultheis, R.; Lehner, F. (2014): Wie der Schwefel nach Österreich kam. Science ORF.at, online veröffentlicht am 26.09. 2014.
Hohe SO2-Werte in Teilen Österreichs durch isländischen Vulkan. Pressemitteilung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien vom 23.09. 2014.
Erstellt am 30. September 2014
Zuletzt aktualisiert am 30. September 2014

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