Erst nach mehrjähriger Regeneration verschwindet der Effekt
Schichtarbeit schwächt die Leistungsfähigkeit des Gehirns
Menschen, die viele Jahre ihres Berufslebens in Schicht- und Nachtarbeit verbringen, zeigen eine reduzierte kognitive Leistungsfähigkeit. Wer mehr als zehn Jahre gegen den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus opponiert schrumpft Gedächtnisleistung, Konzentrationsfähigkeit und Denkvermögen deutlich und nachhaltig.
Es sind oftmals Berufe, die sich um das Wohl anderer Menschen sorgen, die keinen statisch terminierten Feierabend kennen. In Kliniken, auf Polizeistationen und in der Gastronomie, bei Energieversorgern, in der rund-um-die-Uhr-Produktion und in zahlreichen anderen Branchen wird von den Beschäftigten ein Einsatz im Schicht- und Nachtdienst erwartet. Die regelmäßige und andauernde Aktivität gegen den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus verändert den Hormonhaushalt und belastet Herz und Kreislauf, den Stoffwechsel und die Psyche – und offensichtlich wird auch die Gehirnleistung beeinträchtigt.
Nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz zählt zur Nachtarbeit eine berufliche Tätigkeit, die mindestens zwei Stunden lang zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr andauert; in Österreich liegt der relevante Zeitkorridor zwischen 22:00 Uhr und 05:00 Uhr und die notwendige Zeitspanne beträgt drei Stunden wobei diese Bedingungen am zumindest 48 Nächten im Kalenderjahr erfüllt sein müssen.
Ein Forscherteam um Studienleiter Jean-Claude Marquié vom Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in Toulouse (Frankreich) untersuchte 3.232 Berufstätige und Rentner (darunter 1.484 Schichtarbeiter) die 1996 zum Zeitpunkt der ersten Tests 32, 42, 52 und 62 Jahre alt waren. Weitere Tests wurden nach fünf (2001) und nach zehn Jahren (2006) durchgeführt. Die Forscher interessierten sich vorrangig für die Entwicklung der kognitiven Leistungsfähigkeit, insbesondere Gedächtnis (Merkfähigkeit) und das Denkvermögen (Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung).
Bei der Auswertung der Testergebnisse stellten die Forscher fest, dass die andauernde Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, auch als innere Uhr bezeichnet, die Gehirnleistung nachhaltig beeinträchtigt. Besonders markant war der Effekt bei den Testpersonen, die länger als zehn Jahre Schichtarbeit leisteten. Im Vergleich zu Menschen, die im natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus arbeiteten, entsprach die gemessene Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit einem Alterungsprozess von zusätzlich sechseinhalb Jahren. Bis sich Körper und Geist davon wieder erholten, also ein normales Niveau erreicht wurde, vergingen durchschnittlich zumindest fünf Jahre ohne Schicht- und Nachtarbeit.
In seinem Fazit schlägt Studienleiter Marquié vor, Schicht- und Nachtarbeiter zukünftig intensiver medizinisch zu betreuen und dabei auch auf die Entwicklung der kognitiven Leistungsfähigkeit zu achten. Denn die schleichende aber nachhaltig wirksame Einschränkung der Gehirnleistung berge Sicherheitsrisiken (Unfallgefahr) und reduziere langfristig die Arbeitsqualität.
Quellen: Marquié, J.-C. et al. (2014): Chronic effects of shift work on cognition: findings from the VISAT longitudinal study. Occupational and Environmental Medicine, online veröffentlicht am 03.11. 2014. doi:10.1136/oemed-2013-101993.
Erstellt am 17. Dezember 2014
Zuletzt aktualisiert am 17. Dezember 2014

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