Mitfühlende Menschen zeigen besonders deutliche Reaktionen

Frösteln wirkt ansteckend

von Holger Westermann

Gänsehaut-Gähnen, so könnte man den Effekt beschreiben, den britische Forscher nun entdeckt haben. Beim Lachen, Weinen, Hüsteln (gern im Theater) und Gähnen lassen sich Menschen von ihrer sozialen Umgebung anstecken. Kaum jemandem gelingt es, sich dem spontanen Mitmachen zu entziehen. Ganz offensichtlich gilt das auch fürs Frösteln – mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit.

Erst Empathie, die Begabung sich geistig und emotional in einen Anderen hineinzuversetzen, macht Menschen zu kompetenten Sozialpartnern. "Das wäre sehr schwer, wenn wir nicht dazu fähig wären, mit anderen mitzufühlen und die Gedanken, Gefühle und Motivationen unseres Gegenübers einzuschätzen", erklärt Studienleiter Dr. Neil Harrison von der University of Sussex (Großbritannien).

Für den Test, ob auch Kälteempfinden empathisch miterlitten wird, drehten die Forscher 8 kurze 3-Minuten-Videos, in denen Menschen einen Arm in sichtlich warmes oder sehr kaltes Wasser tauchten. Der Kopf, insbesondere das Gesicht der dargestellten Personen war nicht zu sehen. „Die einzigen Hinweise darauf, dass es sich um warmes Wasser handelte, war ein wenig Dampf zu Beginn der Aufzeichnung und eine rosa Färbung der Hand des Schauspielers", erläutert Dr. Harrison. Demgegenüber sei das kalte Wasser durch darin schwimmende Eiswürfel erkennbar gewesen.

Diese Videos präsentierten die Forscher 36 gesunden jungen Erwachsenen (Durchschnittsalter 22,9; bei solchen Tests sind das gemeinhin Studenten), die jedes Video ansehen und bewerten sollten. Parallel dazu wurde die Hauttemperatur der Zuschauer gemessen. Beim Betrachten der Eiswasservideos sank die Handtemperatur messbar; an der linken Hand merklicher als an der rechten. Die Warmwasser-Videos hatten dagegen keinen messbaren Einfluss auf die Handhauttemperatur. Erwartungsgemäß reagierten die Zuschauer besonders intensiv, die beim einleitenden psychologischen Empathie-Test das größte Einfühlungsvermögen (Mitleidsfähigkeit) gezeigt hatten.

In ihrem Fazit gehen die Forscher davon aus, dass auch bei physiologischen Einflüssen wie dem Temperaturempfinden die empathische Leistung (die Begabung des Mitfühlens) darauf beruht, dass der eigene Körper diesen Zustand nachahmt. Friert mein Gegenüber, sinkt auch bei mir die Hauttemperatur und ich beginne zu frösteln.

Für besonders empathische Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Bluthochdruck kann dieser Effekt fatale Folgen haben. Beginnen sie zu frösteln ziehen sich die Adern zusammen und der Blutdruck steigt steil an. So könnte bei garstigem Winterwetter bereits ein Blick aus dem Fenster auf Passanten in Wind und Regen oder gar Schnee die unerwünschte Körperreaktion hervorrufen.

Quellen:

Cooper, E.A. et al. (2014): You Turn Me Cold: Evidence for Temperature Contagion. PLOS ONE, online veröffentlicht am 31.12. 2014. doi: 10.1371/journal.pone.0116126

Erstellt am 16. Januar 2015
Zuletzt aktualisiert am 16. Januar 2015

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