Wetter

Wettergefühle

von Holger Westermann

Rose

Wechselt die Großwetterlage, ändert sich auch der Charakter der bodennahen Luftmassen. Je rasanter dieser Austausch verläuft und um so drastischer sich die Luftcharakteristika unterscheiden, um so größer ist Herausforderung für die Menschen. Sie müssen sich rasch auf die neuen Umweltbedingungen einstellen. Nicht immer gelingt das problemlos. Bei Kälte beginnen sie zu frösteln, Schwüle schwächt den Kreislauf, bei Föhn brummt der Kopf und einige Menschen klagen über Narbenschmerzen. Generell steigt beim Wetterumschwung das Risiko einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens; Menschen mit angeschlagener Gesundheit müssen sogar ernsthafte Probleme fürchten.

Medizinmeteorologen erforschen die Reaktionen des Organismus auf die täglichen Wettererscheinungen. Welche Wetterlage und welche Wetterwechsel, also welche Umweltbedingungen beanspruchen die Anpassungsfähigkeit des Körpers so sehr, dass Gesundheitsprobleme auftreten können. Dabei spielt nicht nur die Charakteristik des Wetters, sondern auch der Menschen eine wesentliche Rolle. Je nach Ökotyp sind Menschen entweder an trockenheiße (Sandwüsten), an schwülwarme (Tropen), an sehr kalte (Subarktis), an gemäßigte mit saisonal marginal schwankenden Bedingungen (Mitteleuropa) oder an extrem unterschiedliche Jahreszeiten (asiatisches Kontinentalklima) angepasst oder sie können in großer Höhe bei geringer Sauerstoffversorgung und intensiver UV-Strahlung noch gut leben (Tibet, Äthiopien). Diese besonderen Talente werden den Menschen „in die Wiege gelegt“. Andere Formen der Wetter-Sensibilität entwickeln sich erst im Lauf des Lebens, manche lassen sich auch wieder beseitigen.

Ärzte und Meteorologen unterschieden dabei drei verschiedene Arten des Wechselspiels zwischen Wetter und Mensch:

1) Wetterreaktion
Die schwächste Stufe beschreibt die Reaktion gesunder Menschen auf die Änderung der erlebten Umwelt durch das Wetter. Damit die Körpertemperatur von knapp 37°C zuverlässig aufrechterhalten bleibt, muss die Thermoregulation stets den aktuellen Umweltbedingungen angepasst werden. Augenfällig wird das beim Schwitzen oder Frieren. Doch auch bei Wohlfühlumgebung reguliert der Körper über die Eng- oder Weitstellung der Adern in der Haut die Abgabe der Wärmemenge aus dem Körperinnern. Bei weit gestellten Adern fließt viel Blut und damit eine große Wärmemenge an die kühlen Oberfläche; Schwitzen erhöht die Verdunstungskälte und damit den Kühleffekt. Eng gestellte Adern verhindern den Wärmeverlust an der Hautoberfläche. Bei moderater Temperatur bemerkt man aber nichts von diesen Regulationsmechanismen, die das Nerven- und Hormonsystem beeinflussen.

2) Wetterfühligkeit
Manche Menschen empfinden die regulierende Reaktion auf das Wetter besonders intensiv. Diese erhöhte Ansprechbarkeit resultiert oftmals aus einer individuell vergleichsweise niedrigen Reizschwelle ihres vegetativen Nervensystems. Dadurch wird eine hormonelle Reaktion auf die Umweltänderung provoziert, die sich nicht so präzise regeln lässt wie die vaskuläre (Veränderung des Durchmessers der Adern). Wetterfühligkeit ist jedoch keine Krankheit. Die Menschen reagieren auf bestimme Wetterlagen oder Wetteränderungen besonders sensibel. Beeinträchtigungen des allgemeinen Wohlbefindens, mentale Befindlichkeitsstörungen und moderate Schmerzbelastungen sind typisch: Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme, Kopfschmerzen und Gelenk- oder Narbenschmerzen werden häufig beobachtet. Die Beschwerden treten vor allem während des Durchzugs einer Warmfront, bei drastischen Wetterumschwüngen, bei Föhn oder auch bei Gewittern auf.

3) Wetterempfindlichkeit
Auf Menschen, die seit mehreren Jahren mit einer Erkrankung leben müssen (chronisch Erkrankte) oder sich allgemein mir einer angegriffenen Gesundheit arrangieren müssen (oftmals Menschen mit fortgeschrittener Biographie) kann das Wetter aber auch einen erheblichen Einfluss auf das Wohlbefunden ausüben - ja sogar die Gesundheit ernsthaft bedrohen. Ein plötzlicher Temperaturanstieg oder eine andauernde Hitzewelle kann dabei ebenso lebensbedrohlich sein, wie eine winterliche Kälteperiode. Als besonders tödlich haben sich mäßige Kältereize erwiesen. Durch die Kontraktion (Zusammenziehen) der Adern steigt der Blutdruck steil an - und damit auch das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.

Ein Gutteil der Belastungen durch Wetterreaktion und Wetterfühligkeit aber auch der Wetterempfindlichkeit lässt sich wegtrainieren. Damit dem Organismus die notwendige Anpassung an die wetterbedingte Umweltveränderung zuverlässig und ohne Beeinträchtigung des Wohlbefindens gelingt, empfehlen Medizin-Meteorologen auch bei Kälte, Wind und Regen rauszugehen. Auch Saunabesuche, ein geregelter Schlafrhythmus (ohne Alkoholnarkose) unterstützen die Anpassungsfähigkeit des Körpers. Wetterempfindliche Menschen sollten für ihre Trainingseinheiten nur solche Tage wählen, für die Menschenswetter keine besonders hohe Belastung angekündigt hat. Ein beratendes Gespräch mit den Arzt ist vor dem Start des Abhärteprogramms unbedingt notwendig. Die meisten wetterbedingten Unglücksfälle passieren, weil Ungeduldige trotz erster Warnzeichen ihres Körpers nur noch schnell etwas erledigen wollten - beispielsweise Schneeschippen im Winter oder Rasenmähen im Sommer. Die zusätzliche Körperbelastung war dann das winzige Quantum „zu viel“.

Quellen:

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann: Wettergefühle. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 27.05.2015

Westermann, H. (2015): Maximales Risiko durch moderate Temperaturreize. Menschenswetter Artikel 1238, online veröffentlicht am 22.05.2015.

Erstellt am 2. Juni 2015
Zuletzt aktualisiert am 2. Juni 2015

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