Wetter
Ein Blick in die Wolken
Gemeint ist nicht das Betrachten des bedeckten Himmels und seiner mal gemächlichen mal rasanten Gestaltänderung, vergleichbar dem Blick ins fließende Wasser oder ins flackernde Feuer, sondern der forschende Einblick ins Innere der Wolken - mithilfe moderner Radarsysteme.
Niederschlag kann in sehr unterschiedlichen Formen auftreten: als Nieselregen mit kleinen oder Regen mit großen Tropfen, als Schnee oder Graupel oder in Verbindung mit Gewittern in Form von Hagel. Nicht immer lässt sich die Form der Niederschlags aus der Wolkenform ablesen; für Meteorologen und die unmittelbar betroffenen Menschen ist es aber durchaus relevant, ob aus einer Gewitterwolke (Cumulonimbus) Starkregen oder Hagel fällt. Für eine genaue Vorhersage des Niederschlags in Konsistenz (flüssig, fest), Aggregation (Einzelkörner, zusammengeballte Körner, verschmolzene Körner) und Größe (feinste Nieseltröpfchen oder schwere Platzregentropfen; reiskorngroßer Graupel oder golfballgroßer Hagel) wird heutzutage ein dreidimensional aufzeichnendes dualpolarimetrische Radarsysteme genutzt.
Radarsysteme senden einen sehr kurzen, elektromagnetischen Impuls im Mikrowellenbereich (Frequenzen um die 6 GHz; ca. 5 cm Wellenlänge) aus, der von kleinen Streukörpern in der Luft, wie Niederschlags- und Staubpartikel aber auch Insekten, reflektiert und vom Radarstandort wieder erfasst wird. Über die Laufzeit des Signals, das sich mit annähernd Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, lässt sich die Entfernung der Streupartikel errechnen. Die Stärke des zurückgestreuten Signals erlaubt Rückschlüsse auf die Niederschlagsart und deren Intensität.
Mithilfe eines Dopplerradars kann die Eigengeschwindigkeit der Streukörper relativ zum Radarstandort gemessen werden. Die Wellenlänge der reflektierten Radarwellen verändert sich, je nachdem ob sich der Abstand zwischen Streukörper und Radarquelle dynamisch vergrößert (Wellenlänge wird gedehnt) oder verkleinert (Wellenlänge wird gestaucht). So kann sehr zuverlässig die Zugrichtung eines entfernten Niederschlagsgebiets bestimmt werden, aber auch die Fallgeschwindigkeit des Niederschlags aus einer naheliegenden Wolke.
Um eine genauere Vorhersage der Art und Größe der Niederschlagspartikel sowie der Intensität des Niederschlags zu ermöglichen, rüsten die mitteleuropäischen Wetterdienste (Deutscher Wetterdienst, DWD und die österreichische Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, ZAMG) derzeit ihre Radarstationen mit dualpolarimetrischen Systemen aus.
Beim Dualpolarisationsradar schwingen zwei gleichzeitig ausgesendete Mikrowellen im rechten Winkel zueinander; einmal schwingt die Achse zwischen Wellenbergen und -tälern vertikal und einmal horizontal. Mit diesen Systemen kann auch die Form der Streukörper präzise vermessen werden. So nehmen große Regentropfen im Vergleich zu Schneekristallen oder Hagel durch den Luftwiderstand beim Fallen eine ovale, abgeplattete Form an. Sie sind somit breiter als hoch, dadurch weisen die zurückgestreuten horizontal polarisierten Impulse eine höhere Intensität auf als die vertikal polarisierten Impulse. Über das Verhältnis der zurückgestreuten Intensität beider Impulse lässt sich dann die Form, Größe und Fallgeschwindigkeit des Streukörpers berechnen. Auch die Unterschiede in den physikalischen Eigenschaften von Wasser und Eis, wie beispielsweise deren Durchlässigkeit für elektromagnetische Signale (dielektrische Leitfähigkeit) und der Dichte beider Stoffe, wirken sich ebenfalls auf die Impulse aus.
Durch die Analyse einer Folge mehrerer hintereinander ausgesendeter Radarimpulse lässt sich die räumliche Orientierung der Streukörper nachvollziehen. Regentropfen fallen gleichmäßig, Form und Lage bleiben dabei konstant. Eis-Wasser-Mischungen wie Hagel geraten dagegen beim Fallen ins Trudeln, das Dualpolarisationsradar registriert taumelnde Bewegungen.
Kombiniert man diese Größen mit der vom Niederschlagsradar gemessenen Intensität des zurückgestreuten, polarisierten Impulses, gelingt es zuverlässig die verschiedenen Niederschlagsarten aufgrund der unterschiedlichen Konsistenz, Größe und Form der Niederschlagspartikel voneinander zu unterschieden. Trägt man die verschiedenen Informationen aller ausgewerteten Impulse zusammen, erhält man für diesen Radarstandort ein flächendeckendes Bild der Niederschlagsarten.
Trotz anschaulicher Analyse der Radarbilder bleibt die Notwendigkeit meteorologischer Interpretation, denn die dargestellte Information kann den Niederschlag in sehr unterschiedlicher Höhe betreffen. Aufgrund der schrägen Abstrahlung der Radarimpulse trifft der Mikrowellenstrahl mit zunehmender Entfernung vom Standort auf Streukörper in größer Höhe. Damit besteht noch keine Gewissheit darüber in welcher Form der Niederschlag am Boden ankommt. Doch genau dies ist für die Menschen interessant, die ihren Blick in Erwartung des Niederschlags in die Wolken richten.
Quellen: M.Sc.-Met. Sebastian Schappert: Einblick in die Wolken. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 09.06.2015
Erstellt am 23. Juni 2015
Zuletzt aktualisiert am 23. Juni 2015

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