Wetter

Spektakuläres Wetter zum Neuen Jahr

von Holger Westermann

Raureif im Dezember

Ein meteorologisches Spektakel (lat. spectaculum = Schauspiel), ein Aufsehen erregendes Ereignis, begleitet den Jahreswechsel in Europa. Über Island und England tobt ein Super-Orkan und von Osten nähert sich das Hochdruckgebiet „Christine“ mit frostig kalter Festlandsluft. Derweil steigt die Temperatur am Nordpol auf 30°C über den langjährigen Vergleichswert.

Mitteleuropa liegt zwischen derzeit zwischen zwei meteorologischen Großereignissen, einem Orkantief über dem Nordatlantik Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn um das Zentrum) und einem sich westwärts ausdehnenden Hochdruckgebiet über Nordosteuropa (Luftströmung im Uhrzeigersinn). Im Prinzip bestimmt diese Luftdruckverteilung das Wetter hierzulande schon seit Wochen; sie führt unablässig Warmluft nach Mitteleuropa. So waren die zumeist sonnigen Tage ungewöhnlich warm und in der sternklaren Nacht kühlt der Boden zwar aus, aber die warme Luft hielt die Temperatur um den Gefrierpunkt. Normalerweise fällt die Temperatur in wolkenlosen Winternächte deutlich unter die 0°C-Grenze.

Das Hochdruckgebiet im Osten (bislang reckte sich von Süden „Brigitte“ als Ableger des Azorenhochs nordwärts) zieht sich nun Richtung Balkan zurück, das russische Festlandshoch „Christine“ rückt nach. Diese mächtigen Hochdruckgebiete wirken wie eine Blockade für die von Atlantik heranziehenden Tiefs. Seit Wochen werden diese präzise über den Britischen Inseln gestoppt - sie können nicht mehr ostwärts weiterziehen und laden vor Ort ihre Niederschläge ab. Ein Tief nach den anderen ergießt seine Wassermassen über die ohnehin nicht regenarme Landschaft, Irland und Großbritannien erleben aufgrund der Hochdruck-Blockade derzeit katastrophale Überschwemmungen.

Derzeit zieht das Orkantief „Eckard“ über den Atlantik heran. Am 30. Dezember traf der ausserordentlich starke Sturm Island. Mit einem extem niedrigen Kernluftdruck von etwa 930 hPa gehört „Eckhard" zu den „Braer-Stürmen" (benannt nach einem gestrandeten Öl-Tanker). Der niedrigste, jemals in einem außertropischen Tiefdruckgebiet über dem Nordatlantik beobachtete Luftdruck betrug 914 hPa, gemessen im Januar 1993 im Seegebiet zwischen Island und Schottland.

Aber auch das Hoch „Christine“ ist von besonderer Qualität. Das Zentrum liegt über dem Baltikum und damit deutlich weiter im Norden als das Vorgängerhoch „Brigitte“. Mit einem Kernluftdruck von knapp 1050 hPa ist es eine sehr wirkungsvolle Blocke für die atlantischen Tiefs, Mitteleuropa (an der Westflanke des Hochs gelegen) bleibt vorerst der Zustrom subtropischer Warmluft erhalten. Doch an der Ostflanke von „Christine“ strömt eiskalte Polarluft südwärts bis zum östlichen Mittelmeer. Zum Jahreswechsel breiten sich Frost und mitunter auch kräftige Schneefälle bis zum Peloponnes, zur Ägäis und zur Türkischen Riviera aus. Besonders viel Schnee gibt es im Bergland Griechenlands, der Türkei sowie im Kaukasus.

Zwischen den beiden Druckgebilden (Tief mit Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn im Westen, Hoch mit Luftströmung im Uhrzeigersinn im Osten) wird die Warmluft weit nach Norden geführt. Eine Wetter-Boje im Nordatlantik (nur 500 km vom Nordpol entfernt) meldete bereits am Mittwochvormittag (30.12.2015) 0°C. Auch am Nordpol selbst wird ein Temperatursprung auf Werte um 0°C erwartet - für gewöhnlich ist es dort zu dieser Jahreszeit -30°C kalt. Zwar sind auch im Winter Warmluftvorstöße bis in die Polregion nicht ausgeschlossen, "aber dieser ist schon sehr ungewöhnlich", erläutert der Meteorologe Adrian Leyser vom Deutschen Wetterdienst (DWD) die diesmal sehr weitreichende und intensive Wärme. Der Weihnachtsmann wird bei seiner Rückkehr vom Geschenkeverteilen die leichte Garderobe beibehalten können, die sich in diesem Jahr bei seiner Dienstreise durch in Mitteleuropa als Arbeitskleidung bewährt hat.

Die aktuelle Wetterlage in Mitteleuropa ist zweigeteilt, von Nordosten strömt kalte Polarluft heran, im Südwesten und Westen dominiert weiterhin mildere Atlantikluft. Im Osten und Südosten, entlang von Donau und Alpen wird sich alsbald der Kaltlufteinfluss durchsetzen. Damit steigt dort die Gefahr von Glatteisbildung, denn nachts kann die Temperatur nun auch dann unter 0°C fallen, wenn Wolken die Abstrahlung der Wärme verhindern. So ist die Kombination Regen + Frost möglich, die zu Glatteis erstarrt. Verstärkt wird der Effekt durch Nebel, der Reifbildung unterstützt und so die Grundlage für eine solide Eisschicht legt.

In bewohnten Gebieten wird während der Silvesternacht reichlich Staub (aus dem Pulverdampf der Knallkörper) als Kondensations- und Kristallisationskeime vorhanden sein - wirken der an sich wohl trainierte aufrechte Gang oder der Fahrstil unsicher, muss es nicht an der gelungenen Party zum Jahreswechsel liegen, es könnte auch der eisglatte Verkehrsweg verantwortlich sein.

Das Menschenswetter-Team wünscht eine guten und gesunden Start ins Neue Jahr 2016

Quellen:

Dipl.-Met. Christoph Hartmann: Jahresausklang mit Unwetterwarnungen. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 31.12.2015

Dipl.-Met. Adrian Leyser: Finale Furioso: Zwischen Super-Orkan und Kältewelle. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 30.12.2015

Erstellt am 31. Dezember 2015
Zuletzt aktualisiert am 31. Dezember 2015

Unterstützen Sie Menschenswetter!

Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.

Weitere Informationen...

 3 Euro    5 Euro    12 Euro  
 Betrag selbst festlegen  

Zwischenfrühling

Sonnenschein, Wärme an langen lichten Tage dieser Frühlingsdreiklang lockt hierzulande in den kommenden Tagen ins Freie. Das nasskalte Wetter weicht angenehmer Witterung. Für die Mehrzahl wetterempfindlicher Menschen eine Wohltat - leider wird auch der Pollenflug stimuliert. weiterlesen...


Beschleunigte Alterung der Gehirne erwachsener Frauen nach traumatiesierender Erfahrung in der Kindheit

Erleiden Mädchen emotionale, sexuelle oder physische Gewalt, müssen sie als Frauen mit einem höheren Risiko für Depressionen, Angststörungen, Fibromyalgie, Herzkreislauf - und Stoffwechselerkrankungen leben. Forscher der Charité Berlin haben nun einen weiteren neurologischen Effekt erkannt. weiterlesen...


Schon wenig Rotwein kann massive Kopfschmerzen auslösen

Reichlich Rotwein am Abend kann morgens Kopfschmerz provozieren. Manchen Menschen leiden jedoch schon nach einem kleinen Glas oder gar einem Probierschluck Rotwein und rasch anflutenden Kopfschmerzen - nicht erst nach Stunden im alkoholvertieftem Komaschlaf, sondern unmittelbar anschließend bei hellwachem Bewusstsein. weiterlesen...


Impfsaison 2023/2024 für Menschen mit Atemwegserkrankungen

Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständige Impfkommission (STIKO) empfehlen Menschen mit Asthma und COPD frühzeitige Impfung gegen Grippe (Influenza) und neue Corona-Varianten sowie eine Überprüfung des Pneumokokken-Schutzes zur Vorbeugung einer Lungenentzündung. Gerade in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit steigt neben Infektionen der oberen und unteren Atemwege auch das Risiko für spürbare Verschlechterung der Symptomatik von vorbestehenden Lungenerkrankungen. weiterlesen...


Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Das Konzept der KI (im Englischen treffender als Artificial Intelligence bezeichnet) ist in der aktuell populären Version auf die Komposition von Texten optimiert. In der medizinische Diagnostik werden andere Qualitäten gefordert. Doch schon heute liefern solche Anwendungen erstaunlich kompetente Unterstützung. weiterlesen...


Wetterwechsel provoziert Migräneattacken

Befragt man Menschen, die unter Migräne leiden, werden zuverlässig bestimmte Wetterlagen oder  eine besonders dynamische Veränderung des Wetters als Auslöser von Schmerzattacken genannt. Deshalb wurde dieser besondere Umwelt-Trigger schon vielfach untersucht. Neue Studien zeigen, dass es nicht die Wetterlage ist, die Schmerzattacken auslöst. weiterlesen...