Wetter

Platanen platzt das Periderm

von Holger Westermann

Botaniker nennen Periderm was allgemein als Baumrinde bekannt ist, darüber bildet bei vielen Bäumen die Borke das rissige oder schuppig erscheinende Abschlussgewebe. So auch bei den Platanen, die in der Sommerhitze ganze Platten ihrer Borke abstoßen. Menschen müssen trotz Hitze in ihrer Haut aushalten.

Platanen sind hierzulande beliebt, sie verschatten Biergärten und Parkanlagen, sie säumen Alleen und Flanierwege. So sollen in Paris (Frankreich) rund 40% aller Bäume Platanen sein, in Berlin 6%, in Wien 4%. Grund dafür ist ihre Toleranz gegen Luftverschmutzung, Trockenheit und Staunässe sowie ihr rascher Wuchs, das dichte Laubdach und die Unempfindlichkeit gegen beherzten Rückschnitt oder gestalterische Eingriffe in die Form Laubkrone. Anrainer großer Platanen beklagen den erheblichen Laubfall, Rabenkrähen schätzen die ausladenden Kronen als Nistplatz für mehrere Paare in enger Nachbarschaft.

Derzeit knarzen und knacken die mächtigen Bäume und entledigen sich geräuschvoll großer Schuppen oder Platten ihrer Borke. Rings um die Bäume summieren sich die fünf bis zehn Zentimeter großen Abplatzungen zu einem bröseligen Bodenbelag. Ungewöhnlich ist das nicht, doch heuer (in diesem Jahr) scheinen sich alle Platanen zeitgleich ihrer zu eng gewordenen Borke zu entledigen. Beim Dickenwachstum kann die verhärtete äussere Schutzschicht nicht mitwachsen und muss daher weichen. Bei anderen Bäumen vergrößern sich die Risse und Rillen in der Borke, bei der Platane platzt sie ab. Insofern ist es ein Zeichen ungebremsten Dickenwachstums und ungebrochener Vitalität.

Andererseits leiden auch Platanen unter den anhaltenden Hitze und Dürre. In Analogie zu Tier und Mensch spricht man auch gern vom Trockenheit-Stress der Pflanzen. Der Vergleich passt insofern, als dass dieses Wetter einen Entscheidungskonflikt provoziert: Zur Photosynthese benötigt die Pflanze Kohlendioxid (CO2), das sie über die Spaltöffnungen an der Blattunterseite aufnimmt, dabei verliert sie aber gleichzeitig Wasser, das bei Dürre besonders knapp ist. So bleiben die Spaltöffungen bei besonders großer Hitze geschlossen. Photosynthese und Wassertransport sind besonders am Vormittag aktiv. Dann verdunstet Wasser aus den Blättern und es entsteht in den Zweigen, Ästen und letztendlich im Stamm und an den Wurzeln ein Unterdruck, durch den weiteres Wasser in die Pflanze gesogen wird. Schließen sich Spaltöffnungen, stoppt dieser Sog-Effekt. Doch der Wassertransport erfolgt nicht nur passiv durch diesen Sog (ansonsten könnten Bäume auch nicht höher als 10m wachsen; bei maximalem Unterdruck kann Wasser höchstens 10m gehoben werden), sondern auch aktiv durch Weitergabe des Drucks von Zelle zu Zelle über einen osmotischen Effekt aufgrund von Konzentrationsunterschieden bei Zucker und Salzen (dadurch kann ein deutlich höherer Druck als 1atm aufgebaut werden). Damit entsteht eine ausgeprägte Tages-Rhythmik beim Wassergehalt und damit beim Druck in den Zellen (Turgor), infolgedessen bei der Volumenausdehnung der Pflanzen. Der stete Wechsel zwischen prall und schlaff verändert die Dicke des Stammes und fördert das Abplatzen der Borke.

In der Hitze die äusseren Hüllen zu sprengen war sicherlich auch vielen Mitteleuropäern ein dringlicher Wunsch. Doch Menschen können ihren Wasserhaushalt variieren, die Haut engt sie dabei nicht ein. Eigentlich bedauerlich, denn sichtbarer und spürbarer Makel am Äusseren würde zuverlässig zu einer ausrechenden Versorgung mit lebensnotwendiger Flüssigkeit führen - so ließen sich Sonnenstich und Hitzschlag, vielleicht auch schon Sonnenbrand und Schwindelanfälle oder Schwäche aufgrund zu niedrigem Blutdruck verhindern.

Quellen:

Dipl.-Met. Adrian Leyser: Der Platane platzt der „Kragen". Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 17.07.2018

Erstellt am 8. August 2018
Zuletzt aktualisiert am 8. August 2018

Unterstützen Sie Menschenswetter!

Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.

Weitere Informationen...

 3 Euro    5 Euro    12 Euro  
 Betrag selbst festlegen  

Gesundheitsrisiko Temperatursturz im April

Nach einer rekordverdächtigen Warmwetterphase von Februar bis Mitte April, ist jetzt das kühle wechselhafte April-Wetter mit Wind, Regen und vereinzelt auch Schneefall zurück. Der Temperatursturz um 15 bis 20°C ist an sich schon ein Gesundheitsrisiko, doch die physiologische und psychologischen Herausforderungen sind diesmal besonders drastisch. weiterlesen...


Schon wenig Rotwein kann massive Kopfschmerzen auslösen

Reichlich Rotwein am Abend kann morgens Kopfschmerz provozieren. Manchen Menschen leiden jedoch schon nach einem kleinen Glas oder gar einem Probierschluck Rotwein und rasch anflutenden Kopfschmerzen - nicht erst nach Stunden im alkoholvertieftem Komaschlaf, sondern unmittelbar anschließend bei hellwachem Bewusstsein. weiterlesen...


Impfsaison 2023/2024 für Menschen mit Atemwegserkrankungen

Robert-Koch-Institut (RKI) und Ständige Impfkommission (STIKO) empfehlen Menschen mit Asthma und COPD frühzeitige Impfung gegen Grippe (Influenza) und neue Corona-Varianten sowie eine Überprüfung des Pneumokokken-Schutzes zur Vorbeugung einer Lungenentzündung. Gerade in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit steigt neben Infektionen der oberen und unteren Atemwege auch das Risiko für spürbare Verschlechterung der Symptomatik von vorbestehenden Lungenerkrankungen. weiterlesen...


Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Das Konzept der KI (im Englischen treffender als Artificial Intelligence bezeichnet) ist in der aktuell populären Version auf die Komposition von Texten optimiert. In der medizinische Diagnostik werden andere Qualitäten gefordert. Doch schon heute liefern solche Anwendungen erstaunlich kompetente Unterstützung. weiterlesen...


Wetterwechsel provoziert Migräneattacken

Befragt man Menschen, die unter Migräne leiden, werden zuverlässig bestimmte Wetterlagen oder  eine besonders dynamische Veränderung des Wetters als Auslöser von Schmerzattacken genannt. Deshalb wurde dieser besondere Umwelt-Trigger schon vielfach untersucht. Neue Studien zeigen, dass es nicht die Wetterlage ist, die Schmerzattacken auslöst. weiterlesen...


Auf Rosen gebettet lernt es sich leichter

Gerüche können Kreativität und Lernerfolg verbessern. Freiburger Forscher haben nun untersucht, was genau der betörende Rosenduft bewirkt und in welcher Dosis er das Lernen erleichtert. weiterlesen...