Wetter

Thermometerwert und gefühlte Temperatur

von Holger Westermann

Eine Schattenseite des Sommerwetters ist die hohe Wärmebelastung. Doch dabei leiden körperliche und geistige Beweglichkeit weit weniger unter Hitze als unter Schwüle. Denn für das Wohlbefinden der Menschen ist nicht die Lufttemperatur relevant, sondern der Wärmetransport über die Haut. Ziel ist es eine Körpertemperatur von rund 36,5°C stabil zu halten. Im Sommer muss dazu Körperwärme abgeführt werden, im Winter gilt es Wärmeverlust zu verhindern.

Genau nach dieses Kriterium beurteilen Menschen auch die Abweichung von ihrer Wohlfühltemperatur. So bevorzugen erhitzte Sportler eine kühlende Umgebungstemperatur aber während gemächlich gemütlichen Winterabenden erfreut eine warme Stube. Wie sehr die Umgebung als wärmend oder kühlend empfunden wird, hängt dabei nicht allein von der Lufttemperatur ab, sondern auch von der Luftfeuchtigkeit und der Luftbewegung.

Liegt die Hauttemperatur über der Umgebungstemperatur, so wird die wärmere, hautnahe Luft vom Wind weggeblasen. Zusätzlich wird dadurch die Verdunstungsrate, die für eine weitere Abkühlung sorgt, an der Hautoberfläche erhöht. Dadurch kühlt der Körper bei Wind deutlich schneller aus. Man nennt diesen Effekt Windchill- oder auch Windabkühlungseffekt. Die Windchill-Temperatur ist diejenige Lufttemperatur, die ohne Wind den gleichen Abkühlungseffekt hätte. Weht bei einer Temperatur von 0 °C ein mäßiger Wind um 25 km/h, so kommt einem die Temperatur wie -6°C vor. Bei -10°C sind es schon -19°C. 

Bei höheren Temperaturen spielt die Feuchtigkeit eine große Rolle. Von schwüle spricht man wenn Luftfeuchtigkeit und Temperatur gleich hoch sind. Durch die hohe Feuchtigkeit kann Schweiß, durch dessen Verdunstung der Körper gekühlt und der Wärmehaushalt reguliert wird, schlechter verdunsten. Deshalb empfindet man die Temperatur als höher. Das Maß für die empfundene Temperatur ist der Hitzeindex. 33°C fühlen sich bei einer Luftfeuchtigkeit von 60 % beispielsweise wie 40°C an.

Für die gefühlte Temperatur verwenden der DWD und infolgedessen auch Menschenswetter das Modell "Klima Michel". Es repräsentiert seit 1990 einen deutschen Durchschnittsbürger (Michel) von 35 Jahren, einer Körperhöhe von1,75 m und einer Körpermasse von 75 kg (ob das heutzutage noch als durchschnittlich gelten kann?). Für diesen Modellmenschen wird ein Energiebilanzmodell gerechnet, um die Temperaturempfindung in Abhängigkeit von der Lufttemperatur und Feuchtigkeit, der Windgeschwindigkeit, der Sonnenstrahlung und der Bekleidung festzustellen.

Für eine komplexere Betrachtung können auch noch Reflexionsstrahlung von Felsen und Hauswänden, gespeicherte Bodenwärme oder Bewölkung als Hemmnis für nächtliche Wärmeabstrahlung berücksichtigt werden. In sternklaren Nächten kühlt die bodennahe Luft, also die unmittelbare Umgebung der Menschen stark ab und am Morgen erlaubt ein wolkenloser Himmel eine rasche Erwärmung. Diese hohe Temperaturdynamik beeinflusst das subjektive Temperaturempfinden und die Reaktion des Körpers darauf. 

Diese regulative Körperreaktion auf den Umweltreiz Temperatur ist der wirkmächtigste Effekt der Wetterfühligkeit (weitgehend gesunder Menschen) und der Wetterempfindlichkeit (durch chronische Erkrankungen besonders vulnerable Menschen). Deshalb werden Wetterwechsel bereits als besonders belastend empfunden, wenn die gefühlte Temperatur noch keinen Extremwert erreicht.

Quellen:

Dipl.-Met. Christian Herold: Gefühlte Temperatur. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 30.06.2022

Erstellt am 7. Juli 2022
Zuletzt aktualisiert am 7. Juli 2022

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