Wetter
30°C sind nicht gleich 30°C
Die derzeit trockene Nordost-Wetterlage wechselt in den nächsten Tagen zu einer schwülen Südwestlage. Dabei bleibt die Lufttemperatur nahezu gleich, doch der Charakter der Luftmassen ändert sich grundlegend. Das werden nicht nur wetterempfindliche Menschen spüren.
Derzeit erleben die Menschen in Mitteleuropa Wohlfühlwärme. Tagesmaxima zwischen 25 und 30°C bei tiefblauem Himmel während ein kühlender Nordostwind das Hitzeempfinden lindert. Nur wenige Wolken zieren den tiefblauen Himmel, kein Dunst trübt den Blick und zieht ein Flugzeug vorüber, lösen sich dessen Kondenzstreifen sofort auf. So trocken ist die Luft bis in großen Höhen hinauf. Die klare Luft filtert nur wenig UV-Strahlung heraus, wodurch die Sonnenbrandgefahr besonders hoch ist. Zudem senkt der kühlende Wind die gefühlte Temperatur und verleitet zum allzu ausgiebigen Sonnenbad.
Der meteorologische Messwert für die trockene Luft ist die Taupunkttemperatur. Je höher die Temperatur steigt, desto mehr Feuchtigkeit kann die Luft aufnehmen. Der Taupunkt ist die Temperatur, bei der die Luftfeuchtigkeit zu Tröpfchen kondensiert und damit die relative Feuchtigkeit 100 % beträgt. Eine warme und trockene Luftmasse müsste dafür stark abgekühlt werden, die Taupunkttemperatur liegt weit unter dem Thermometerwert. Ist die Luft dagegen bereits mit reichlich Wasserdampf gesättigt, ist die Differenz klein. Eine hohe Taupunkttemperatur zeigt daher eine hohe Feuchtigkeit an. Ab einer Taupunkttemperatur von 16°C ist Schwüle zu erwarten, ab 20°C wird es schon spürbar deutlich spürbar unangenehm.
Aktuell liegt die Taupunkttemperatur für Juni extrem niedrig zwischen 6 und 8 °C. Trockenwarme Hochdruckluft (absinkende Luftmassen erwärmen sich) garantiert Wärme, auf die der Körper gut reagieren kann. Die Temperaturregulation übers Schwitzen funktioniert optimal. Das Wasser verdunstet sofort auf der Haut und kühlt so die Oberfläche - dadurch gelingt die Ableitung der Körperwärme ohne spürbaren Wasserfilm auf der Haut. Unterstützt wird der Effekt durch den Wind, der die dünne Luftschicht mit erhöhtem Feuchtigkeitsgehalt sofort entfernt. Das Körpergefühl bleibt trotz effektiver Kühlung durch Schwitzen angenehm trocken.
Dabei verliert der Körper jedoch unmerklich viel Wasser, das nachgeliefert werden muss. Wer jetzt zu wenig trinkt, riskiert zwar keine Überhitzung wie Sonnenstich oder Hitzeschlag, jedoch steigt aufgrund der schlechteren Fließeigenschaften des eingedickten Blutes das Risiko für Thrombosen und Infarkte.
In der kommenden Woche stellt sich die Wetterlage um und die Warmluft kommt aus Südwesten nach Mitteleuropa. Diese Luftmassen tragen sehr viel Feuchtigkeit; die Taupunkttemperatur liegt dann bei 18 bis 20°C, also deutlich über der „Schwülegrenze“ von 16°C. So sind bei 20°C Lufttemperatur und einer relativen Feuchte von etwa 80 % bereits 13,5 g Wasserdampf pro Kubikmeter Luft enthalten und es wird schwül. Bei 25°C reichen 60 % und bei 30°C ist die Schwülegrenze bereits bei einer relativen Luftfeuchte von 44 % erreicht. Unter diesen Bedingungen gelingt die Thermoregulation des Körpers weit weniger Zuverlässig. Der Schweiß kann nicht verdunsten, da die Luft bereits weitgehend mit Wasserdampf gesättigt ist; er rinnt nahezu wirkungslos den Körper hinab. Das verschwitze Körpergefühl ist unangenehm und ein ernstzunehmendes Warnzeichen. Einerseits verliert der Körper sehr viel Wasser, das durch diszipliniertes Trinken ersetzt werden muss. Andererseits bewirkt die unzureichende Kühlung, dass sich der Körper und besonders das Gehirn stark erwärmen kann; Kopfschmerzen, Sonnenstich oder gar Hitzeschlag sind mögliche drastische Folgen. Die bei Schwüle maximal geweiteten Adern vergrößern das Volumen im Blutkreislauf, wodurch der Blutdruck sinkt - Erschöpfung, Schwindel und Sturzgefahr sind die Folge.Auch deshalb ist es wichtig, jetzt auseichend Wasser zu trinken, damit sich die Blutmenge auffüllt und die Fließeigenschaften des Blutes verbessern. Menschen mit Hypertonie, die täglich Medikamente zur "Entwässerung" einnehmen, können für solche Wetterlagen mit ihrem Arzt eine Anpassung der Medikation besprechen.
Insofern unterscheiden sich die 25 bis 30°C in dieser Woche grundsätzlich von den 25 bis 30°C der kommenden Woche. Die subjektiv empfundene und auch die physiologisch wirksame Wärmebelastung ist dann erheblich größer. Die trockene, windgekühlte Wohlfühlwärme wandelt sich in drückende Schwüle in der die Luft „steht“.
Ob man sich bei Wärme oder Hitze wohlfühlt, hängt davon ab, ob die Regulation der Körpertemperatur gelingt. Das wird unter den Bedingungen der kommenden Woche größere Anstrengungen fordern und von spürbaren Körperreaktionen begleitet sein. So fühlt sich Mitte bis Ende Juni der Sommer in Mitteleuropa an - wenn nicht gerade ein Azorenhoch dominiert.
Quellen: Eigenartikel der Menschenswetter-Redaktion
Erstellt am 15. Juni 2023
Zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2023

Unterstützen Sie Menschenswetter!
Die Höhe des Beitrags liegt in Ihrem Ermessen.
Winterrevival
Trotz der zwischenzeitlich sehr milden Witterung mit Frühlingsattitüde ist das typische Wetter der Saison noch wechselhaft mit konkreten Chancen auf Kälte und Schnee. Wer in den Kalender blickt wird ohnehin Aprilwetter erwarten.

Das Projekt Menschenswetter
Auf Rosen gebettet lernt es sich leichter
Gerüche können Kreativität und Lernerfolg verbessern. Freiburger Forscher haben nun untersucht, was genau der betörende Rosenduft bewirkt und in welcher Dosis er das Lernen erleichtert. weiterlesen...
Hunde senken Stress, denn sie mögen Menschen
Dem possierlichen Charme eines jungen Hundes kann sich kaum ein Mensch entziehen. Dem spontanen Impuls zu Knuddeln oder zumindest zu Streicheln mag man nicht widerstehen. Und die Mehrzahl der Hunde scheint diese Zuwendung zu genießen. Bei älteren Tieren ist dann eher die Rasse und deren Charakter relevant, ob man Körperkontakt anstrebt oder lieber auf Distanz achtet. weiterlesen...
Ein Bild des Partners lässt Schmerzen schwinden
Zärtlichkeit lindert Schmerzen. Dabei wird der geliebte Partner körperlich wahrgenommen, man ist der schützenden und tröstenden Gegenwart gewiss. Zudem wirkt das genau in diesem Moment ausgeschüttete Kuschelhormon Oxytocin als natürliches Analgetikum. Forscher der Justus Liebig Universität Gießen (Hessen) haben nun herausgefunden: Ein Bild vom Partner genügt, um das Schmerzempfinden zu reduzieren. weiterlesen...
Weniger Streß durch Nikotinverzicht
Wenn Raucher zur Zigarette greifen, bemühen sie oft das Argument, akuten Stress zu lindern. Sie erhoffen sich kurzfristig spürbare und langfristig wirksame Unterstützung bei der Bewältigung psychischer Belastungen. Doch die regelmäßige Intoxikation mit Nikotin verstärkt die Probleme; erst Abstinenz lässt sie (ver)schwinden.