Chronotypen „Lerche“ und „Eule“ unterscheiden sich in ihrer Hirnstruktur

Lebensrhythmus und Schlafbedürfnis lassen sich im Gehirn erkennen

von Holger Westermann

Frühaufsteher oder Langschläfer? Das ist offensichtlich keine Frage der Lebenseinstellung, sondern Folge fest verdrahteter Persönlichkeitsmerkmale im Kopf. Untersucht wurden 16 Frühaufsteher, 23 Langschläfer und 20 Menschen mit weitgehend normalem Aktivitätsrhythmus. Dabei zeigten die Langschläfer eine auffällige Abweichung in genau der Hirnstruktur, die auch mit der kognitiven Leistungsfähigkeit in Zusammenhang stehen.


Zwischen zehn und 20 Prozent der Menschen rechnen sich zu den extremen Frühaufstehern oder Langschläfern. Wobei der Begriff Langschläfer in die Irre führt. Denn diese Menschen schlafen zumeist nicht länger als die Frühaufsteher, sie gehen nur deutlich später zu Bett. Bekannt sind diese individuellen Unterschiede in der Lage der Aktivitätszeit schon lange, in Volksmund und Presse haben sich die Begriffe „Lerche“ und „Eule“ etabliert.

Ein Wissenschaftlerteam um Frau Dr. Jessica Rosenberg vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum Jülich (Nordrhein-Westfalen, Deutschland) konnten nachweisen, dass bei stark ausgeprägten „Eulen“ die Signalübertragung in den Nervenfasern in der weißen Hirnsubstanz gegenüber Personen mit normalem Schlafrhythmus oder „Lerchen“ verändert ist.

Die Forscher untersuchten mit Kernspin Tomographie (Diffusion-Tension-Imaging (DTI)) und Magnet Resonanz Tomographie (strukturelle MRT) die Signalübertragungen in der weißen Hirnsubstanz bei frühen, normalen und späten Chronotypen. Die weiße Hirnsubstanz besteht vor allem aus Nervenfasern, über die der Informationsaustausch zwischen Hirnarealen läuft.

"Es zeigte sich, dass bei den seltenen, sehr nachtaktiven Menschen, die erst im Morgengrauen einschlafen können, die Signalübertragung im Gehirn verändert ist, zum Beispiel in Hirnarealen unterhalb des Frontal- und Temporallappens oder dem anteriorem cingulären Gyrus", erläutert Jessica Rosenberg die Ergebnisse. Diese Hirnareale sind auch für die kognitive Leistungsfähigkeit beim Lernen, Sprechen oder Erinnern verantwortlich. So erstaunt es nicht, dass „Eulen“ häufiger unter Schlafstörungen oder Depressionen leiden als die beiden anderen Chronotypen.

Die hier zitierte Studie konnte nicht klären, ob die gefundenen Strukturunterschiede im Gehirn Ursache oder Folge der verschobenen Aktivitätsphase sind. In ihrem Fazit betont Frau Dr. Rosenberg jedoch die individuelle „eigene biologische Uhr“ durch die bei jedem Menschen die Tageszeit des optimalen Leistungsvermögens und der Wunsch sich schlafen zu legen festgelegt werde. Zwingen Arbeitszeiten oder soziale Notwendigkeit gegen die eigene biologische Uhr zu leben, reagiere der Körper darauf mit Stress. Diese körperliche und psychische Belastung erkläre möglicherweise auch, warum „Eulen“ häufiger und mehr Alkohol und Zigaretten konsumieren als Frühaufsteher oder Menschen mit einem normalen Aktivitätsrhythmus.

Um zusätzliche Risiken zu reduzieren empfehlen die Experten extremen „Eulen“ an freien Tagen das zwangsläufig entstehende Schlafdefizit durch langes Ausschlafen zu kompensieren. Damit stellen sie sich für diese Extremfälle explizit gegen die übliche Empfehlungen für Menschen mit Ein- und Durchschlafstörungen, denen als Bestandteil der Schlafhygiene ein Festhalten an der wochentags üblichen Aufstehzeit angeraten wird.

Quellen:

Rosenberg, J et al. (2013): "Early to bed, early to rise": Diffusion tensor imaging identifies chronotype-specificity. Neuroimage 84C: 428-434. doi: 10.1016/j.neuroimage.2013.07.086.

Erstellt am 25. November 2013
Zuletzt aktualisiert am 25. November 2013

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