Wetter
Irrtümer über Gewitter
Kräftige Gewitter begleiten den Luftmassenwechsel im mitteleuropäischen Sommer. Unter Hochdruckeinfluss erwärmt sich die Luft und speichert große Mengen Wasserdampf. Stürmt ein atlantisches Tiefdruckgebiet heran, schiebt sich dessen Kaltluft unter die feuchtwarme Luft und hebt sie in kühlere Atmosphäreschichten, die Luftfeuchte kondensiert zu Wolken eines ausgedehnten Frontgewitters. Sehr viel kleinräumiger sind Wärmegewitter. Sie entstehen, wenn bei intensiver Sonneneinstrahlung Warmluftblasen in der Atmosphäre aufsteigen und die typischen ambosförmigen Gewitterwolken (Cumulonimbus) bilden. Weitere Weisheiten über Gewitter gibt es viele – doch nicht alle sind meteorologisch oder medizinmeteorologisch korrekt.
1: Bei Gewittern sollte man sich flach auf den Boden legen
Das tut man besser nicht! Durch die ausgestreckte Körperlage auf zumeist feuchtem Boden kann den Strom optimal durch den Körper fließen und so maximalen Schaden (Herzstillstand, Schäden am Nervensystem) anrichten. Besser ist es, mit eng beieinander stehenden Füßen in die Hocke zu gehen. Dadurch wird die Körperhöhe reduziert, der Kontakt zum nassen Boden minimiert und ein Stromfluß über das Herz (bei Weg von der einen Körperhälfte zur anderen) verhindert.
2: Im Auto ist man sicher
Das stimmt weitestgehend! Ein Auto wirkt als sogenannter Faradayscher Käfig, der einen Blitz an seiner Karosserie und den Reifen in den Boden ableitet. Autos aus Metall sind dabei besser als solche aus Kunststoff, trotzdem ist man in beiden weitestgehend sicher. Auf jeden Fall sollten aber Fenster und Türen geschlossen werden. Ein Raucherspalt am Fenster kann fatale Folgen haben – rauchen ist ohnehin ein Gesundheitsrisiko.
3: "Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen"
Nicht die Baumart, sondern die Wuchshöhe des Exemplars bestimmt das Risiko. Für den Blitz ist der kürzeste Weg zur Erdung, beispielsweise über ionisiertes (salzhaltiges) Wasser oder Metallleiter, relevant. Bäume sind unter diesem Aspekt eine salzhaltige Wassersäule, Gebäude ein hochgereckter Metallstab.
Der Glaube, dass Buchen nicht so häufig vom Blitz getroffen werden wie Eichen, rührt möglicherweise aus der Tatsache, dass Blitzschäden an Buchen nicht so gut zu sehen sind wie an Eichen. Buchen führen den Blitz direkt in den Boden ab, während bei Eichen der Blitz auch an einer anderen Stelle der Rinde wieder austreten kann und es so zu sichtbaren Schäden kommt. Wer beim Waldspaziergang oder auf einer Wanderung vom Gewitter überrascht wird, sollte eine Lichtung oder Schonung (Stelle mit jungen Bäumen) suchen, die einen Abstand von zumindest 5 m erlaubt, und sich hinhocken. Hat man nur die Wahl zwischen Hochwald und freiem Gelände, ist der Wald die bessere Wahl. Denn dort ist man umgeben von konkurrierenden Blitz(ab)leitern.
4: Im Gebäude ist man sicher, telefonieren und duschen sollte man aber nicht
Im Haus ist man weitgehend sicher, sofern es über einen hinreichenden Blitzschutz verfügt. In Mitteleuropa ist das bei Wohn- und Arbeitsgebäuden inzwischen Standard, nur Scheunen und Lagerhallen brennen gelegentlich noch nach Blitzschlag ab. Telefonieren und Duschen sind risikolos möglich, wenn Telefon- und Wasserleitungen unterirdisch verlaufen. Wer telefoniert heutzutage eigentlich noch über Telefonkabel? Zumindest die Endgeräte sind zumeist mobil. Fernseher und elektrische Geräte trennt man besser vom Stromnetz, da ein Blitzeinschlag in unmittelbarer Nähe an den Geräten einen Überspannungsschaden provozieren kann.
5: Bei Gewittern kann man getrost weiter Fußball oder Golf spielen
Sport ist gesund, bei Gewitter jedoch höchst fahrlässig. Fußballfelder und Golfplätze sind so groß, dass einzelne Menschen als Blitzfänger fungieren. Bei feuchtem Rasen kann es auch mehrere Personen gleichzeitig treffen. Ein zum Schwung hoch gereckter Golfschläger (Eisen 5) ist ein idealer Metallleiter – und wird vom Blitz zuverlässig getroffen.
6: Im Flugzeug kann nichts passieren
Ein Flugzeug ist wie ein Fahrzeug ein Faradayscher Käfig. Bei einem Blitzeinschlag fließt der Strom über die Außenhülle ab. Nur in extremen Ausnahmefällen ist denkbar, dass dabei die Elektronik Schaden nimmt. Dramatischer als das Blitzrisiko empfinden die Fluggäste die turbulenten Auf- und Abwinde im Gewitter. Deshalb umfliegen Piloten die Gewitterwolken der Wärmegewitter, bei Frontgewittern ist das aufgrund der langgestreckten Ausdehnung nicht immer möglich.
7: Ein Blitz schlägt niemals zweimal an derselben Stelle ein
Das widerspricht der Physik und der Logik. Ein attraktives Blitzziel wird bei vergleichbarer Wettersituation aufs Neue als Blitzfänger wirken. So wird das Empire State Building in New York (USA) durchschnittlich 25 Mal im Jahr getroffen.
8: Ein Blitz schlägt stets von oben nach unten ein
Das trifft nur für den kaum sichtbaren Vorblitz zu, der einen verästelten Kanal in der Luft ionisiert und erhitzt (auf bis zu 30.000 °C). Knapp vor dem Boden geht ihm oftmals ein Fangblitz entgegen. Ausgangspunkt der Fangentladung sind zumeist hoch aufragende (exponierte) elektrisch leitende Gegenstände. Der Vorblitzkanal ist extrem schmal, maximal 12 mm im Durchmesser.
Die hell leuchtende Hauptentladung mit einer Stromstärke von etwa 20.000 Ampere fließt jedoch zumeist Ladung vom Boden zur Wolke. Zumeist bilden vier bis fünf Hauptentladungen, die jeweils nur 30 µs (0,00003 s) dauern, einen Blitz. Zwischen den Hauptentladungen können 0,03 s und 0,05 s verstreichen, im Auge des Betrachters flackert der Blitz mehrmals auf.
Normale Erdblitze sind relativ kurze Negativblitze (hierzulande 1 bis 2 km), zwischen der negativ geladenen Wolkenunterkante und dem Boden. Die Mehrzahl der Blitze bewirkt jedoch den Ladungstransport innerhalb einer Wolke oder zwischen Wolken; sogenannte Wolkenblitze. Besonders energiereich sind jedoch die Positivblitze. Sie entstehen als Blitzentladung aus dem oberen, positiv geladenen Teil der Wolke zum Boden und legt dabei oftmals mehr als 10 km zurück. Dabei fließt der elektrische Strom (bis zu 300.000 Ampere) in umgekehrter Richtung: von den Wolken zum Boden. Positivblitze sind selten (5% aller Erdblitze), doch sie leuchten besonders hell. Gefährlich ist nicht nur ihrer besonderen Stromstärke, sie können auch kilometerweit vom eigentlichen Gewitter entfernt einschlagen. Der nachfolgende Donner unterscheidet sich deutlich von dem der Negativblitze, er gleicht einem lauten Knall und wird von einem grummelnden Poltern begleitet.
Quellen: Dipl.-Met. Simon Trippler: Irrtümer bei Gewittern. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 07.07.2014
Erstellt am 7. Juli 2014
Zuletzt aktualisiert am 8. Juli 2014

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