Wetter

Wetterwechsel durch Passage kräftiger Tiefdruckgebiete

von Holger Westermann

Warmlufteinstrom mit Orkanböen - sehr milde Temperatur - Dauerregen - Tauwetter und dann der Kälteeinbruch mit Orkanböen und Schneefall. Der aktuelle Wetterwechsel illustriert den Durchzug eines Tiefdruckgebiets und den damit verbundenen Austausch der Luftmassen.

Wie stark das Tief ist hängt ab vom Luftdruck im Zentrum. Von einem Tief spricht man unterhalb von 1000 Hektopascal (hPa), ab 990 hPa von einem Sturmtief und Orkantiefs haben zumeist einen Kerndruck unter 960 hPa (zudem ist auch der „Druckgradient“ relevant, aber dieser Wert ist zumeist nur Fachleuten bekannt). Ein Tiefdruckgebiet kennt zwei Formen der Dynamik, die Rotation der Luftströmung entgegen dem Uhrzeigersinn um das Zentrum und die Zuggeschwindigkeit, mit der dieser großräumige Wirbel über die Landschaft zieht. Eine weiteres Kriterium für die Vehemenz eines Tiefs ist die Größe, wieviel Fläche es bedeckt und wieviel Wasserdampf es transportiert.

Derzeit zieht das Tief „Ottilia“ über Mitteleuropa hinweg. Von Nordatlantik kommend traf es bei Irland auf Europa und übernahm mit Südwind das Wetterregime. Die warmen Luftmassen von den Azoren und aus der Mittelmeerregion trugen sehr viel Wasserdampf, der vom Südwesten bis Nordosten als ergiebiger Regen fiel. Die nachfolgende Kaltfront hob diese feuchte Luft in kühlere Atmosphäreschichten wodurch sich der Regen verstärkte. Normalerweise, bei rasch voranschreitenden Fronten ist die ein kurzer heftiger Effekt. Doch diesmal trödelte die Kaltfront, wodurch kräftiger Dauerregen die Landschaften im südlichen Mitteleuropa flutete. Insbesondere in den Staulagen der südlichen Mittelgebirge und entlang der Alpen regnete es unwetterartig; innerhalb von 24 Stunden fielen 40 bis 100 l/qm. Dabei kühlten Kaltluft und Regen die gefühlte Temperatur erheblich ab.

Dieser Passage eines Tiefdruckgebietes vom Atlantik über Mitteleuropa hinweg wurde diesmal verstärkt durch das kleine aber wirkmächtige Tief „Petra“. Es hatte sich an der Luftmassengrenze über dem Saarland gebildet und zog über Nordwürttemberg sehr rasch rasch ostwärts nach Tschechien. Entlang seiner Zugbahn entlang von Main und Donau intensivierten sich Niederschläge und Sturm noch einmal erheblich. In Österreich tobte „Petra“ sogar viel heftiger als „Ottilia“, hier wurden vielerorts Orkanböen gemessen (> 117 km/h).

Inzwischen strömt hinter der Kaltfront mit einer nordwestlichen Strömung sehr kühle Meeresluft polaren Ursprungs heran. Der Niederschlag wandelt sich sukzessive von Regen in Schneeregen, Graupel und Schnee. Dabei können erhebliche Mengen zusammen kommen, denn in der Atmosphäre ist noch reichlich Wasserdampf, der bei zunehmender Kälte kondensiert und zu Boden fällt. Das nasskalte Wetter wandelt sich zu kühlem Winterwetter mit abnehmender Luftfeuchte.

Für wetterempfindliche Menschen ist so ein drastischer Wetterwechsel eine Belastung des Wohlbefindens, für manche auch ein Gesundheitsrisiko. Der Temperaturanstieg zu Beginn belastet den Kreislauf und kann Kopfschmerzen und Konzentrationsprobleme hervorrufen, bei manchen treten auch verstärkte Müdigkeit oder Schwindel auf. Der anhaltende Sturm, begleitet von prassselndem Regen kann innere Unruhe provozieren, die sich tagsüber negativ auf Konzentrationsfähigkeit und die Stressempfindlichkeit auswirkt, nachts auch zu unruhigem Schlaf mit geringer Erholungseffekt führt. Für Menschen mit Bewegungseinschränkungen oder Schmerzen in Muskulatur und Gelenken ist das nasskalte Wetter eine Qual - auch wenn der Thermometerwert gar nicht so tief fällt, die gefühlte Temperatur beim Kontakt mit Wind und Regen oder beim Blick aus dem Fenster ist relevant. Der Kaltlufteinbruch zum Abschluss gefährdet vor allem Menschen mit Bluthochdruck. Um den Verlust von Körperwärme zu verringern ziehen sich bei Kälte die Adern zusammen, dabei steigt der Blutdruck steil an. Besonders kritisch ist die Situation am frühen Morgen, wenn es über Nacht geschneit hat. Jedes Aufwachen wird durch einen Anstieg des Blutdrucks begleitet (1). Signalisiert der erste Blick aus dem Fenster, dass heute morgen Schneeräumen nötig ist, erhöht sich der Blutdruck durch Ärger darüber oder Stress, da nun die Zeit fürs Frühstück knapp wird (2). Rasch etwas wärmendes übergeworfen und mit der Schneeschaufel hinaus ins Freie - der Kältereiz stimuliert weiteren Blutdruckanstieg (3). Insbesondere Nassschnee oder Schneematsch erreicht schon bei geringem Volumen enormes Gewicht; Schneeschippen ist Schwerstarbeit und garantiert Blutdruckspitzenwerte (4). Patienten mit Blutdruckproblemen sollten sich prüfen, ob ein früh am Morgen selbst geräumter Gehweg die Summe der Risikofaktoren 1 bis 4 wert ist. Oft genügt schon ein wenig Geduld, dann ist der morgendliche Blutdruckanstieg abgeklungen, hat sich der Ärger gelegt oder die grimmige Kälte ist nach Sonnenaufgang schon etwas milder geworden - oder der Schnee ist bereits von selbst getaut. Darauf dürfen Menschen ausserhalb der Bergregionen derzeit ohnehin hoffen, denn der Schnee wird derzeit dort nicht liegen bleiben.

Quellen:

Dipl.-Met. Marco Manitta: Dauerregen, Tauwetter und Orkan, später Schneefall. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 03.02.2020

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe): Eine brisante Wetterlage geht zu Ende. Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 04.02.202

Erstellt am 5. Februar 2020
Zuletzt aktualisiert am 5. Februar 2020

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