Modafinil bremst die kognitive Leistung, statt sie zu verbessern
Gehirn-Doping schadet bei schlauen Menschen der Schlagfertigkeit
Es ist eine moderne Seuche: Gesunde Schüler und Studenten, aber auch ehrgeizige Berufstätige versuchen ihre Konzentrations- und Leistungsfähigkeit durch Medikamente zu verbessern, die für Menschen mit neurologischen Erkrankungen entwickelt wurden. Dabei wird die Gehirnleistung durch die „Smart Drugs“ (Intelligenz-Medikamente) nicht erfrischt sondern vielmehr gebremst – der eingebildete positive Effekt ist Folge eines irrealen Selbstbetrugs, real ist nur die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit.
Doping war zuerst ein Phänomen im Bodybuilding und Spitzensport, dann unter engagierten Freizeitsportlern und nun auch am Schreibtisch. Offensichtlich verführt der Drang zur übernatürlichen Leistungssteigerung zum Griff nach Ampulle oder Pille. So ist der Modafinil-Mißbrauch inzwischen weit verbreitet. Zumeist werden diese Medikamente unmittelbar vor Klausuren oder komplexen Arbeitsaufgaben eingenommen. Der Wirkstoff erreicht bereits zwei bis vier Stunden nach der Einnahme die maximale Konzentration im Blut. Modafinil-Medikamente können somit spontan eingesetzt werden, wenn die Furcht vor dem Versagen übermächtig wird.
Doch so hilfreich (wenn auch verboten und mit hohen Gesundheitsrisiken verbunden) das Doping beim Muskelaufbau der bereits Guttrainierten ist, so sehr enttäuscht das Gehirn-Doping die Hoffnung auf Verbesserung der intellektuellen Leistung – gerade bei bereits bestens Geübten. In letzter Zeit häufen sich die Hinweise, dass Medikamente wie Vigil®, Ritalin® oder Adderall®, deren Wirkmechanismus auf eine Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit, Arbeitsausdauer und Lernleistung hoffen lässt, neurologisch Gesunden sogar eher schaden.
So überprüften Wissenschaftler um Dr. Ahmed Mohamed von der Universität Nottingham (Malaysia Campus, Semenyih, Selangor Darul Ehsan, Malysia) exemplarisch den Effekt des Wirkstoffs Modafinil, der gegen schwere Schlafstörungen und Schlafanfälle (Narkolepsie) verschrieben wird, auf seinen leitungssteigernden Effekt bei gesunden jungen Erwachsenen. Die Hälfte der 64 neurologisch unauffälligen Studienteilnehmer (19 bis 36 Jahre, davon 33 Frauen) erhielt ein Medikament mit dem Wirkstoff (200 mg), die andere Hälfte ein wirkstofffreies Scheinmedikament (Placebo).
Beide Gruppen mussten standardisierte psychologische Testverfahren absolvieren, die unter Zeitdruck Assoziationsfähigkeit, Konzentration und Kreativität erforderten. "Wir haben untersucht, wie das Medikament wirkt, wenn man zutreffend und zügig antworten muss", erklärt Studienleiter Dr. Mohamed. Doch unter Einfluss von Modafinil hatten die Versuchsteilnehmer deutlich größere Probleme rechtzeitig und korrekt zu antworten. Die Medikamenten-Gruppe schnitt in allen Test-Disziplinen schlechter ab als die Placebo-Gruppe.
Die Forscher führen dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis auf den Wirkmechanismus von Modafinil zurück. Das Medikament verbessert nur scheinbar die Konzentrationsfähigkeit, tatsächlich bremst es die direkte Reaktion und verzögert spontane Aktionen. Antworten werden weniger impulsiv gegeben und erscheinen (sowohl dem Menschen selbst wie auch seinen Gesprächspartnern) besser durchdacht. Doch die qualitative Verbesserung der Antworten ist eher Wunsch statt Wirklichkeit. So zeigten die Testergebnisse der Studie lediglich eine längere Reaktionszeit, aber keinerlei Verbesserung der kognitiven Leistung.
Kluge und kreative Menschen werden durch Modafinil nur langsamer aber nicht besser. Möglicherweise werden sogar spontane Assoziationen, eine wichtige Quelle kreativer Intelligenz, unterdrückt. Neurologisch Gesunde sollten daher auf Smart-Drugs verzichten, wenn sie ihre intellektuellen Fähigkeiten optimal nutzen wollen.
Quellen: Mohamed A.D.; Lewis, C.R. (2014): Increases the Latency of Response in the Hayling Sentence Completion Test in Healthy Volunteers: A Randomised Controlled Trial. PLOS ONE, online veröffentlicht am 12.11. 2014. DOI: 10.1371/journal.pone.0110639 Turner, D.C. et al. (2003): Cognitive enhancing effects of modafinil in healthy volunteers. Psychopharmacology 165 (3): 260–269. doi:10.1007/s00213-002-1250-8 Westermann, H. (2014): Kurzfristg hilfreiches Hirndoping provoziert nachhaltige Nebenwirkungen. Menschenswetter Artikel 1038, online veröffentlicht am 17.05. 2014.
Erstellt am 24. November 2014
Zuletzt aktualisiert am 9. März 2016

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