Wetter

Schnee oder Regen

von Holger Westermann

Nach einer milden Wärmeepisode meldet sich noch einmal der Winter zurück. Frost am frühen Morgen und gebietsweise üppiger Schneefall vertreiben jedes Frühlingsgefühl. Mancherorts, insbesondere in den Staulagen der Mittelgebirge und der Alpen hat es kräftig geschneit. Grund dafür war nicht das Vordringen kühler Luft am Boden, sondern das Verschwinden der Warmluftschicht darüber.

So ergänzten rund 10cm frische Flocken die Schneereste der Mittelgebirge; selbst im Rhein-Main-Gebiet (Hessen, Deutschland) konnte sich vorübergehend eine geschlossene Schneedecke bilden. Nachdem die letzten Wochen unter Hochdruckeinfluss reich an hellem Sonnenschein oder tristem Hochnebel aber stets arm an Regen oder Schnee waren, erstaunt die rasche Rückkehr des Winterwetters.

Die Meteorologen-Vorhersage dieses „Abschiedsbesuch des Winterwetters“ traf präzise ein, allein die Schneemenge wurde in den Prognosen vielfach unterschätzt. Dabei gehen die Wetterexperten nach der "Top-Down" –Methode vor: Sie betrachten die Atmosphäre von oben (Strotosphäre) nach unten – durch die Troposphäre hindurch bis zu den bodennahen Luftschichten. Dabei interessieren sie sich vorrangig für die Verteilung von Temperatur und Feuchte.

Je wärmer die Luft, um so mehr Feuchtigkeit (Wassersampf) kann sie aufnehmen. So ist Luft von -10°C mit 2,3 g/m3 Wasserdampf gesättigt (relative Luftfeuchte 100%), bei 0°C sind es schon 4,8 g/m3, bei +10°C bereits 9,4 g/m3 und bei +20°C kann die Luft 17,3 g/m3 aufnehmen, bei sommerlichen 25°C speichert sie bis zu 23,0 g/m3. Die Schwüle ist dann aber für Menschen kaum erträglich. An der Grenze zur Stratosphäre (Topopause, hierzulande etwa in 11.000 m Höhe), bei einer Temperatur zwischen -50 und -80°C, ist die Luft dagegen nahezu wasserfrei.

Erreicht die relative Feuchtigkeit nahezu 100%, kann der Wasserdampf in der Luft kondensieren, es bilden sich Wolken und später Niederschlag. Entscheidend ist, bei welcher Temperatur dies geschieht. Bilden sich die Wolken und Niederschlag unterhalb von -10°C, entstehen vorrangig Eiskristalle. Zwischen 0 und -10°C überwiegt hingegen unterkühlter Wasserdampf. Bei einer Lufttemperatur oberhalb der Frostgrenze schmelzen Eiskristalle und Schneeflocken zu Regentropfen.

Bei der Vorhersage von Niederschlag stützen sich Meteorologen auf drei Aspekte:

  1. Ort der Wolkenbildung
    In der Top-Down-Perspektive werden zunächst die höheren und mittleren Atmosphäreschichten auf erste Anzeichen einer Wolkenbildung untersucht. Werden sie in Luftschichten entdeckt, die kälter als -10°C sind, bilden sich mit großer Wahrscheinlichkeit Eiskristalle, eine wichtige Voraussetzung für Schneefall. Tritt die Wolkenbildung erst in wärmeren Luftschichten bis maximal 0°C auf, werden sich hingegen unterkühlte Wassertropfen bilden, die eher als Sprühregen fallen.
  2. Vertikale Temperaturverteilung
    In der Top-Down-Perspektive fällt der Fokus anschließend auf die unteren Luftschichten. Liegt die Temperatur in einer ausreichend dicken Schicht oberhalb des Gefrierpunktes, schmelzen Eiskristalle und Schneeflocken zu Regentropfen. Das muss nicht die bodennahe Luftschicht sein. So schichten sich hierzulande im Winter bei Hochdruckwetterlagen gelegentlich wärmere Luftmassen über ein Kissen schwerer Kaltluft (Inversion). Der Niederschlag schmilzt dann in der Warmluftzone und kühlt auf dem Weg zum Boden danach wieder ab – womöglich unter 0°C. Sobald dieser unterkühlte Regen auftrifft, gefriert er zu Blitzeis (Eisregen, unterkühlter Regen).
  3. Bedingungen beim Bodenkontakt
    Die Bodentemperatur hat einen wesentlichen Einfluss auf die empfundene Qualität des Niederschlags, ist aber nur schwer prognostizierbar. Zu stark können die Bedingungen in unmittelbarer Nachbarschaft variieren. Liegen weite Landstriche unter Dauerfrost, die Böden sind tief gefroren, dann kann in höheren Schichten geschmolzener Niederschlag oder der angesprochene Nieselregen fest frieren, was zu dem gefährlichen Glatteis führt (gefrierender Regen oder Sprühregen). In der Nähe von Gewässern (Wärmespeicher) oder geschlossenen Siedlungen (Wärmespender) kann die Bodentemperatur bereits einige Grad höher liegen, so dass dort die Eisbildung unterbleibt. Auf der anderen Seiten taut Schnee auf warmen Böden zügig zu glitschigem Matsch oder gänzlich zu Wasserlachen. Kaum ein Mensch spricht dann davon, dass es schneie.

In der Prognosen für die Schneefallgebiete vom 23.02. 2015 lag die Temperatur in auf Höhe der Wolkenbildung deutlich unter -10°C (1), tiefere Luftschichten blieben weitgehend unterhalb von 0°C (2) und die Bodentemperaturen bewegte sich um den Gefrierpunkt (3). Schnee war also zu erwarten, nur ob er auch im Flachland liegen blieb, hing vorrangig von den lokalen Bodenbedingungen ab (3). So regnete es in den Städten des Rhein-Main-Gebiets, während das Umland vorübergehend unter einer weißen Decke verschwand.

Ob es regnet oder schneit – und ob die Menschen den Niederschlag als Regen oder Schnee empfinden – entscheidet sich oftmals erst auf den letzten Metern bis zum Boden, manchmal auch erst nach dem Bodenkontakt. Für wetterempfindliche Menschen ist der optische Eindruck durchaus relevant, denn er provoziert gefühlte Kälte. Bleibt der Schnee liegen, fühlt sich das Wetter kälter an als wenn es nur regnet oder die Flocken sofort tauen. Die Körperreaktion auf den Anschein von Kälte entspricht der physiologischen Antwort auf tatsächlich niedrige Umgebungstemperatur, die dem Organismus Wärme entzieht. Der Mensch beginnt zu frösteln, Gänsehaut breitet sich aus, die Adern ziehen sich zusammen, der Blutdruck steigt. Für viele Menschen ist das kein angenehmes Gefühl, für wetterempfindliche Menschen mit Bluthochdruck, Arteriosklerose oder Koronarer Herzkrankheit (KHK) kann es sogar ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko bedeuten.

Quellen:

Dipl.-Met. Marcus Beyer: Winterliche Überraschung (?). Thema des Tages, Newsletter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vom 24.02.2015

Erstellt am 24. Februar 2015
Zuletzt aktualisiert am 25. Februar 2015

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